Die FMH und das neue Transplantationsgesetz (mit Replik)

Briefe / Mitteilungen
Édition
2022/19
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2022.20773
Bull Med Suisses. 2022;103(19):634

Publié le 10.05.2022

Die FMH und das neue Transplanta­tionsgesetz (mit Replik)

Die FMH unterstützt, laut Medienmitteilung, das neue Transplantationsgesetz. Sie bezieht sich dabei auf eine Umfrage, die 2015 von Swisstransplant, der zentral involvierten und interessierten (privatrechtlichen) Organisation, in Auftrag gegeben wurde und die bei 1000 Befragten eine Zustimmung von 80 Prozent für die Organspende am Lebensende behauptete [1]. Eine Umfrage des BAG von 2017 mit 20 000 Befragten kommt aber zu einem ganz anderen Schluss: dabei sagten 31 Prozent, sie würden spenden und 22 Prozent beantworteten die Frage mit eher Ja [2]. 47 Prozent aber, somit fast die Hälfte, sagen Nein oder eher Nein. Auch, dass nur 16 Prozent der Menschen einen Spenderausweis besitzen, spricht eine klare Sprache, die offenbar von der FMH ­weder verstanden noch verbreitet wird. Somit wird sie zum willfährigen Handlanger von Swisstransplant. Dass die Angehörigen durch die Widerspruchslösung entlastet werden, ist eine reine Behauptung. Es ist absurd, an­zunehmen, dass ein derart schwieriger ­Entscheid, nur weil er staatlich (anders) ge­regelt ist, einfacher wird. Und dass die Widerspruchslösung zu mehr Spenderorganen führt, ist ebenfalls eine Mär, die widerlegt worden ist.
Die Widerspruchslösung bietet keinen Nutzen, hat aber klare negative grundrechtliche und ethische Folgen und verstösst ebenso ­gegen den lange Zeit geltenden Grundsatz des primum nihil nocere.

Replik auf «Die FMH und das neue Transplantationsgesetz» und «Transplantationsgesetz: Widerspruchsregelung»

Für die Abstimmungsempfehlungen gegenüber der Bevölkerung braucht die FMH einen verbindlichen Entscheid der Delegierten­versammlung, da diese gemäss den Statuten der FMH für die Behandlung und Entscheidung aller wichtigen gesundheits- und standespolitischen Fragen zuständig ist, welche nicht der Ärztekammer vorbehalten sind. Es sind also die 33 Delegierten der von der Ärztekammer anerkannten Dachverbände sowie des Verbands der Assistenz- und Oberärz­tinnen und -ärzte (VSAO), der leitenden Spitalärztinnen und -ärzte und der Medical Women Switzerland, welche das Transplantations­gesetz diskutiert und mit grosser Mehrheit die Abstimmungsempfehlung beschlossen haben. Diesem Beschluss ist die FMH verpflichtet auf der Basis der demokratischen und repräsentativen Vertretungen ihrer Mitgliedorganisationen in Delegiertenversammlung und Ärztekammer.
In der Folge hat die FMH zum Transplanta­tionsgesetz differenziert kommuniziert und insbesondere Stellung bezogen, dass die festgehaltene Willensäusserung zu Lebzeiten eine Entlastung darstellt für die Angehörigen. Ebenfalls wichtig für die Angehörigen ist, dass der mutmassliche Wille der Organspenderin, des Organspenders respektiert wird. Das Parlament hat beschlossen, mit dem ­Gegenvorschlag zur Organspendeinitiative die «erweiterte Widerspruchslösung» zur ­Abstimmung zu bringen. Diese legt fest, dass die Organentnahme verboten bleibt, wenn der Wille der verstorbenen Person nicht dokumentiert ist und keine Angehörigen zum mutmasslichen Willen befragt werden können.