Was tun gegen die verschwindende Wertschätzung der ärztlichen Leistung?

Briefe / Mitteilungen
Édition
2022/3132
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2022.20741
Bull Med Suisses. 2022;103(3132):983

Publié le 03.08.2022

Was tun gegen die verschwindende Wertschätzung der ärztlichen Leistung?

Seit der Einführung des Tarmed 2004 bzw. der Einführung des DRG 2012 verliert die ärztliche Leistung an Wert. Sowohl der Taxpunktwert als auch die Entgeltung für viele Fallpauschalbehandlungen ist über die Jahre stetig gesunken. Mit der Einführung des Tarmed wurde auch vereinbart, dass alle Rechnungen vom Leistungserbringer an den Kostenträger elektronisch übermittelt werden sollen. Mit diesem Schritt begann eine neue Kostenstelle, mit deren Umfang sicher weder der frei praktizierende Arzt noch die Spitäler kaum gerechnet haben: die dazu notwendige IT-Infrastruktur und deren Unterhalt verschlingen seither Unmengen von Geld bei stetig steigenden IT-Kosten, ohne den administrativen Mehraufwand für den Arzt und dessen Personal weiter zu analysieren. Auch der allgemeine administrative Aufwand hat in der Schweiz in den letzten Jahren derart zugenommen, dass regelmässig junge Ärzte deswegen das Spitalleben oder die Arbeit in einer medizinischen Institution verlassen. Kaum ein Jungarzt in der Schweiz wagt es heute noch, allein eine Praxis zu erwerben oder gar zu übernehmen. Denn auch die Auflagen für eine selbstständige Erwerbstätigkeit sind aufwendiger geworden. Kurz zusammengefasst: Der Arztberuf in der Schweiz wird immer weniger attraktiv und dies nicht zuletzt aufgrund der schwierigen Rahmenbedingungen. Dazu gehören eben auch die seit Jahren regressiven Entgeltungen der ärztlichen Leistung. Diese treffen nicht alle Fachdisziplinen in gleichem Ausmass. Nebst vielen anderen Fachärzten sind auch die Fusschirurgen in der Schweiz stark betroffen. Für diese Fachrichtung kam erschwerend dazu, dass im Jahre 2018 gewisse kantonale Gesundheitsbehörden und das BAG unter dem Projekt «ambulant vor stationär» unterschiedliche Listen von häufig durchgeführten, insbesondere auch fusschirurgischen Eingriffen publiziert haben, die zwingend ambulant durchgeführt werden müssen, auch bei zusatzversicherten Patienten. Die entsprechende Verrechnung muss durch eine deutlich tiefere Tarmed-­Position erfolgen, die in der Fusschirurgie meistens nicht kostendeckend ist.
So diskutieren die Mitglieder der Schweize­rischen Gesellschaft für Chirurgie und Medizin des Fusses (SFAS) seit Jahren an ihren ­Versammlungen, wie man sich gegen solche politischen Entscheide wehren kann. Die offiziellen Wege mit Einreichen von Anpassungsgesuchen von nicht wirtschaftlichen Fall­pauschalen DRG oder Tarmed-Positionen wurden beschritten. Diese bewirken ent­weder keine oder nur minimalste Veränderungen und dauern wohlgemerkt immer Jahre bis zur Umsetzung. Entsprechend hat die SFAS nach anderen Wegen gesucht und die rechtliche Situation analysiert, um ein Zusatzentgelt für eine ärztliche Leistung in der Schweiz vom Patienten zu verlangen. Die ­grosse Vorarbeit dazu hat die FMCH mit der FMH bis ins Jahr 2020 geleistet. Nach über einem Jahr juristischer Abklärungen mit der WEKO und der FINMA war es vollbracht: Zusatz­honorare im ambulanten oder stationären Bereich DRG (nicht VVG) sind zulässig unter bestimmten Bedingungen. Generell müssen dabei die Mehrleistungen eines Arztes ausgewiesen und dokumentiert werden. Mögliche Mehrleistungen können dabei die freie Wahl des behandelnden Arztes, die medizinische oder chirurgische Erfahrung des Spezialisten oder ein möglicher Terminwunsch des Pa­tienten sein.
An der Generalversammlung der SFAS im Jahre 2021 hat eine grosse Mehrheit der Mitglieder das freiwillige Einführen von sogenannten «upgrade»-Verträgen direkt mit dem Patienten gutgeheissen. Damit kann ein Fussspezialist unter Einhalten von bestimmten Regelungen mit dem Patienten ein zusätzliches Honorar für seine ärztlich-operative Leistung vereinbaren. Dies wird insbesondere für verlangte Mehrleistungen bei stationären und ambulanten Behandlungen beansprucht, welche von den Tarifen der obligatorischen Kranken- oder Unfallversicherungen nicht oder nicht kostendeckend abgegolten werden.
Die SFAS hofft, dass mit dieser Massnahme ­zumindest die fusschirurgische Leistung wieder gerechter abgegolten werden kann und somit viele Spezialisten insbesondere in der Praxis kostendeckend arbeiten können. Dies könnte ein Anreiz für Jungärzte schaffen, um diese Fachrichtung zu wählen und die hohe Qualität unseres Fachs bzw. Gesundheits­wesens beizubehalten.