Die Guten und die Besseren (mit Replik)

Briefe / Mitteilungen
Édition
2021/26
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2021.19979
Bull Med Suisses. 2021;102(26):882

Publié le 29.06.2021

Die Guten und die Besseren (mit ­Replik)

Die bisherigen Ausbildungs-, Weiterbildungs- und Fortbildungs-Diplome sollten ein Garant für Qualitätssicherung sein. Weshalb braucht es jetzt ein zusätzliches «Label»? Diese «Neuerung» scheint wenig durchdacht. Was wird dieses neue Label bewirken? Bei Kolleginnen und bei Patientinnen? Wie steht die Ärztin da, wenn sie zwei Jahre vor ihrer Pensionierung entscheidet, kein solches Label mehr zu erwerben? Sie hat den Facharzttitel FMH vor langer Zeit erworben, sich sorgfältig um die Fortbildung gekümmert und jetzt genügt das nicht, denn ohne dieses Label wird sie zur Zweitklassärztin. Solche Titel- und Label-Proliferationen wirken wie Tumorwachstum. Der Tumor wächst ungehindert und zerstört. Und wenn des Kaisers neue Kleider dann noch gespickt mit Anglizismen daherkommen, gerät das Vertrauen in solche «Neuerungen» definitiv unter Druck.
Und überall, vor allem in Klinik-Hochglanzprospekten, leuchtet glanzvoll garantiert irgendwo das Wunderwort Ethik auf. Aber wer meint denn damit was genau?
Wäre es nicht sinnvoller, die FMH würde ein Jahr der «verantwortungsvollen ärztlichen Tätigkeit» (es geht ja auch gut verständlich auf Deutsch, wirkt halt nicht so kompetent) ausrufen und die Fachgesellschaften ermuntern, entsprechende Veranstaltungen zu planen? Sicher braucht es immer wieder das Gespräch (den Diskurs) über die gute ärztliche Tätigkeit – diese Auseinandersetzung sollte nie aufhören. Demgegenüber birgt aber das neue Label die Gefahr, sich nun auf dem neu erworbenen Label auszuruhen. Was genau bringt das neue Label «responsible practice FMH», was nicht schon in den Statuten der FMH, der kantonalen Ärztegesellschaften, der Fachgesellschaften, der kantonalen Verordnungen zur Praxisbewilligung und der guten schweizerischen Gesetzgebung geregelt wäre?

Replik zu «Die Guten und die Besseren»

Sehr geehrter Herr Buess
Besten Dank für Ihren Leserbrief und die kritische Auseinandersetzung mit dem Label «responsible pratice FMH». Das Label «respon­sible practice FMH» dient dazu, transparent offenzulegen, dass man die Standes­regeln der FMH in der Praxis/Organisation aktiv fördert. Die Standesordnung der FMH basiert auf einer Wertehaltung und legt dementsprechen­de Verhaltensnormen fest, die sowohl für Ärztinnen und Ärzte als auch insbesondere für unse­re Patientinnen und Patienten, die Öffentlichkeit, Verwaltung und Politik Verbindlichkeiten schaffen, welche Halt und Sicherheit geben. Diesen Mehrwert will die FMH nun verstärkt sichtbar machen, indem sie mit ihrem Label «responsible practice FMH» auch Organisationen der medizinischen Versorgung die Möglichkeit gibt, sich zur Standesordnung der FMH zu be­kennen, auch wenn sich diese Organisationen nicht in ärztlicher Eigentümerschaft befinden und/oder auch ärztliche Nicht-FMH-Mitglieder beschäftigt werden. Über die Vergabe des Labels werden somit die Ärztinnen und Ärzte, die nicht Mitglieder der FMH sind und in ­diesen Organisationen arbeiten, sowie diese Organisationen selbst verpflichtet, sich an die Standesordnung zu halten.
Freundliche Grüsse