Covid-19-Impfung: Prioritätsfrage

Briefe / Mitteilungen
Édition
2021/10
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2021.19675
Bull Med Suisses. 2021;102(10):362

Publié le 09.03.2021

Covid-19-Impfung: Prioritätsfrage

Ich gehöre zu diesen Überalterten, und ich habe mich impfen lassen. Dies nicht zuletzt aus «Solidarität» meinen Mitmenschen gegenüber. Als ehemaliger Leiter der Impfstoffabteilung des Schweizerischen Serum- und Impfinstitutes weiss ich auch ein wenig über die Risiken neuer Impfstoffe Bescheid. Und wer die «Notwendige(n) Überlegungen zur Impfung der Risikogruppe / Covid-19-Impfung: Aufklärung und Urteilsfähigkeit» von Frau Dr. iur. Ursina Pally Hofmann (SÄZ vom 3.2.2021) hinreichend bedenkt, kann schwerlich getadelt werden, wenn er – und sei er selbst Arzt – sich nicht impfen lässt. Da das Covid-19-verursachende SARS-CoV-2 vorwiegend direkt von Person zu Person übertragen wird, ist aber wohl nur eine entsprechende Impfkampagne in der Lage, diese Pandemie zu bekämpfen.
Zurück zur «Überalterung». Die Überlegungen der Verantwortlichen für die Priorität der zu Impfenden mögen Anlass zu Nachfragen sein. Aus Triage-Überlegungen (Armee) kann nachvollzogen werden, dass zuerst an Vul­nerable («Risikogruppe») gedacht wurde. Nun zu kritisieren, dass die «überalterten, über 80-jährigen Menschen, die bereits über 90% ihrer durchschnittlichen Überlebenszeit hinter sich gebracht haben, ganze jüngere Generationen in wirtschaftlichen, sozialen und psychischen Abgrund» verdammten, hat meiner Ansicht nach kaum etwas mit «Solidarität» und «Ethik» zu tun. Natürlich hätte die Prioritätsfrage der zu Impfenden auch anders gestellt werden können. Zum Beispiel wäre es durchaus vertretbar gewesen (und hätte auch von den «Überalterten» gewürdigt werden können), wenn, zusammen mit dem Pflegepersonal, zuerst Ärztinnen und Ärzte als prioritär zu Impfende in Betracht gezogen worden ­wären. Weiter hätte das Argument geltend ­gemacht werden können, dass gerade die ­Jugendlichen und die jungen bis «mittelaltrigen» Generationen zunächst geschützt werden müssten, sollte die Wirtschaft möglichst «wie bisher» aufrechterhalten werden können. Und damit wären wir beim Utilitarismus – weit weg von Solidarität und Ethik – gelandet.