Brutto- oder Nettoeinkommen? (avec réplique)

Briefe / Mitteilungen
Édition
2021/0102
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2021.19466
Bull Med Suisses. 2021;102(0102):19

Publié le 05.01.2021

Brutto- oder Nettoeinkommen?

Sehr geehrte Damen und Herren
Vielleicht habe ich nicht ganz richtig geschaut, aber ich fand keine Angabe darüber, ob hier Brutto- oder Nettoeinkommen verglichen wurden. Ich nehme eher Bruttoeinkommen an, aber wenn es Nettoeinkommen wären, müsste nicht nur dieses Fakt, sondern noch zusätzlich angegeben werden, wie die Sozialversicherungsabzüge, insbesondere der 2. Säule (aber z.B. auch der UV), verrechnet wurden. Es ist ja z.B. nicht ohne weiteres anzunehmen, dass Pensionskassenabzüge auf variable Lohnbestandteile gemacht werden, wenn doch, müsste ihre Höhe angegeben werden. Ein Vergleich zwischen verschiedenen Lohnbezügern/-bezügerinnen wäre nur sauber, wenn gleiche Abzüge berechnet würden. In Wirklichkeit variieren die Pensionskasseneinzahlungen, die obligatorischen und erst recht die überobligatorischen, zum Teil ganz deutlich. Die Altersgliederung der Kaderärzteschaft, in ständiger Veränderung, würde die Abzüge – sofern sie tatsächlich einbe­zogen wurden – und damit die Nettoeinkommen beein­flussen. Im Weiteren fand ich keine Angaben betreffend eine Aufrechnung der Einkommen auf gleiche Arbeitszeiten. Der Anteil Teilzeitarbeitender, vor allem der Frauen, ist ja ganz beträchtlich. Löhne ohne Bezug auf Arbeitszeiten sind weder zwischen den Individuen noch im Zeitablauf von Individuen und Kollektiven vergleichbar; ein durchschnitt­liches Einkommen hat damit keinen Aussagewert, und Vergleiche über einen Zeitraum sind nicht interpretierbar, wenn gleichzeitig die Zusammensetzung der Pensen über die Jahre ändern. So können Einkommen pro Person über die Jahre sinken, wenn der Anteil der Teilzeitangestellten steigt, und das ist wegen des zunehmenden Frauenanteils zu erwarten. Dabei wären die Löhne (Arbeitsentgelte) pro Zeit nicht gesunken, sondern eventuell oder sogar wahrscheinlich gestiegen.
Eigenartig finde ich auch die unregelmäs­sige Anwendung der Begriffe Einkommen, Einkünfte, Lohn, Honorare und, in An­füh­rungszeichen, Boni: Zum Beispiel sind «varia­bl­e Lohnbestandteile» gemäss zu er­rei­chenden Jah­reszielen weder Löhne noch Hono­rare, wenn man Honorare als Entgelte für eine ­bestimmte Leistung definiert. Oder: Der Ausdruck «Einnahmen aus Honoraren zusatz­versicherter Spitalpatientinnen und -patien­ten sowie Einkünfte aus privater ambulanter Sprechstundentätigkeit» lässt offen, ob in ­diesem Fall Honorare und Einkünfte als Bruttoeinnahmen des Spitals oder als Netto­bezüge des Kaderarztes / der Kaderärztin. Anzunehmen ist das Zweite, doch fragt sich dann immer noch, ob vor oder nach Sozial­versicherungsabzügen. Als Lohn bezeichnet man üblicherweise Arbeitsentgelte eines Angestell­ten / einer Angestellten. «Va­riable Lohnbestandteile» sind streng genommen keine solchen, sondern «zum Lohn hinzukommende Entgelte, Honorare, Tantiemen, Pro­visionen oder Boni», so ominös das auch klingen mag. Sie unterliegen wahrscheinlich auch nicht denselben Abzügen wie die Löhne. Aber auch mit Honorar kann eine Brutto­einnahme («Honorarrechnung» des Spitals an den Pa­tienten / die Patientin oder eine Versicherung) oder eine Nettoeinnahme gemeint sein, im Fall der Kaderärzte/-ärztinnen wahrscheinlich das Letztere.

Replik auf 
«Brutto- oder Netto­einkommen?»

Der Verein der Leitenden Spitalärzte der Schweiz (VLSS) erhebt mit seinen Mitgliederbefragungen nicht den Anspruch, wissenschaftlich fundierte Angaben zur genauen Entwicklung der Einkommenshöhe sowie der Anstellungsbedingungen der Kaderärzteschaft in der Schweiz zu machen. Mit der ­Umfrage konnten wir somit, anders als bei ­einer Studie, lediglich allgemeine Trends bei den gesamten (Brutto-)Einkommen aus verschiedenen Einnahmequellen (Lohn, Honorare etc.) und bei den Arbeitsbedingungen erfassen. Darauf haben wir im betreffenden Artikel hingewiesen.