Aus der Seele gesprochen

Briefe / Mitteilungen
Édition
2020/42
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2020.19308
Bull Med Suisses. 2020;101(42):1369

Publié le 13.10.2020

Aus der Seele gesprochen

Der Autor spricht mir als einem ehemaligen Hausarzt und gegenwärtigen Patienten aus der Seele. Noch als praktizierender Arzt war ich nicht begeistert, wenn mich Patienten als ihren Arzt im Hausarztsystem wählten, weil sie damit sowohl ihre wie meine Freiheit beschränkten und eigentlich eine «Sonderstellung und -behandlung» verlangten. Ich bin nicht der Einzige, der mit solchen «Sonder­patienten» Probleme hatte. Nicht selten wollten sie überwiesen werden, ehe ich meine ­Fähigkeiten versuchen konnte und waren verstimmt, wenn ich ihrem Wunsch nicht gleich entsprochen habe – eben, ich bin doch ein «Gatekeeper»!
Dass die Mehrheit der Menschen in der Schweiz einerseits die freie Arztwahl bevorzugt, anderseits sie in irgendeiner Weise doch beschränkt, ist kein Widerspruch, sondern ein Zeichen der Freiheit – sie wählen die Beschränkung selbst mit einem Modell, das ­ihnen passt, es wird ihnen nicht vorgeschrieben, diktiert. Wir sprechen über mündige Patienten, aber wollen ihr Grundrecht und Grundbedürfnis beschränken. Dies noch dazu in Zeiten, wenn sie leichten Zugang auch zu guten medizinischen Informationen haben. Dass sie mit ihnen gut umgehen können, beweist auch eine beliebte Fernsehsendung. In unserer Stadt gibt es einen Dermatologen, der über Internet entscheidet, ob die Hautänderung eine Konsultation verlangt oder nicht. Vor der Wahl eines behandelnden Arztes holten sich die Patienten schon immer auch Informationen bei ihren Familienangehörigen, Bekannten und Freunden. Ich habe Patienten gehabt, die mit einem Leiden zu einem Kol­legen gingen, mit einem anderen zu mir ­kamen. Es ist auch unvermeidlich, weil immer mehr Ärzte nur Teilzeit arbeiten. Und ­zuletzt: Gibt es Daten, wie viel man mit dem Hausarztsystem spart?