Generalkonsent: Verständlichkeit als ethische Dimension

Briefe / Mitteilungen
Édition
2020/41
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2020.19271
Bull Med Suisses. 2020;101(41):1306-1307

Publié le 07.10.2020

Generalkonsent: Verständlichkeit als ethische Dimension

Die Daten- und Probenforschung in der Humanforschung ist unbestritten wichtig für den generellen medizinischen Fortschritt. Dabei ist die Information und Einwilligung der Teilnehmenden essentiell und muss rechtlichen und ethischen Standards entsprechen. Im Artikel «Verbesserungspotenzial des Generalkonsents» zeigen die Autorinnen Talanova und Sprecher auf, welche Anpassungen im Generalkonsent (GK 2018) aus rechtlicher Sicht in der aktuell verwendeten Version von unimedsuisse und swissethics aus ihrer Sicht notwendig wären. Es ist in der Tat korrekt, dass einzelne rechtliche Spezifikationen in der Version GK 2018 nicht ausgeführt werden. Dabei handelt es sich allerdings nicht um ein absichtliches Vorenthalten von Rechtsinformation – z.B. des Rechts auf Nicht-Wissen oder der Anonymisierung – und auch nicht um eine bewusst eingesetzte rechtliche «Ungenauigkeit», wie die Autorinnen postulieren, sondern vielmehr um einen Kompromiss im Abwägungsprozess zwischen rechtlicher ­Korrektheit und der ethischen Dimension der Verständlichkeit. Letztere wird oftmals vergessen. Im GK 2018 wurde demnach berücksichtigt, dass nicht alle Personen zwischen Verschlüsslung und Anonymisierung immer unterscheiden können. Begriffe wie «Widerspruch» und «Widerruf» – in juristischer Sprache eine Selbstverständlichkeit – werden von Patientinnen und Patienten möglicherweise verwechselt. Mit anderen Worten: Die Rechtssprache ist für Forschungsteilnehmende nicht einfach zugänglich und daher in puncto Verständlichkeit vielleicht manchmal ungeschickt, wenn diese 1:1 übersetzt wird. Das ­Dokument GK 2018 ist im Abwägungsprozess zwischen ethisch «gut» und rechtlich «richtig» entstanden und zu verstehen. Zusätzlich ist zu erwähnen, dass im Prozess der Auf­klärung wesentlich ist, dass es nicht nur um die Aushändigung eines Schriftstücks geht, sondern ebenfalls eine persönliche münd­liche Aufklärung stattfinden soll, wobei auch individuelle Fragen beantwortet werden.
Um Vertrauen in die Daten-Proben-Forschung zu generieren und die Bereitschaft, an Forschungsprojekten teilzunehmen, zu fördern, sollen und müssen die Teilnehmenden fair, verständlich und korrekt informiert werden. Dabei steht die Herausforderung im Vordergrund, das rechtlich Notwendige in verständlicher Form präzise und strukturiert wiederzugeben. Es darf nicht vergessen werden, dass der Generalkonsent von kranken und teilweise schwachen Patientinnen und Patienten gelesen wird und verstanden werden soll. Hier muss man sich fragen, ob ein kurzer, prägnanter Text nicht tatsächlich besser ist als ein alle rechtlichen Details ausführendes – und damit kompliziertes – Dokument. Für Forschungsteilnehmende steht an erster Stelle immer das Vertrauen, die Fairness und Offenheit, in der persönlichen Beziehung zu Ärztinnen und Ärzten sowie zu den jeweiligen Spitälern und Institutionen. Dies ist die Grundlage, dass diese ihre Daten und Proben zur Verfügung stellen. Ein hauptsächlich für Juristinnen und Juristen verfasster und verständlicher Text des Generalkonsents – wie von Talanova und Sprecher favorisiert – kann dieses Vertrauen in Personen und Institutionen nicht ausschliesslich entstehen lassen. Daher setzt sich swissethics weiterhin für eine in erster Linie verständliche Form jeg­licher Informationsschrift ein, welche nach hohen ethischen Standards versucht, rechtlich richtig, aber nicht ausschliesslich rechtlich detailliert zu informieren. Der Weg dorthin bleibt voller Herausforderungen und kann nur im Dialog gelöst werden.