Cavete Kollegae!

Briefe / Mitteilungen
Édition
2020/35
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2020.19149
Bull Med Suisses. 2020;101(35):1027-1028

Publié le 25.08.2020

Cavete Kollegae!

Wie man bereits durch die Sendung «Rundschau» vom 3.6.2020 erfahren konnte, breitet sich seit Ende 2018 die vom Österreicher Neuschitzer gegründete «MeinArzt»-Organisation in der Schweizer Praxislandschaft aus und hat unterdessen bereits ca. 25 «Altpraxen» geschluckt.
Als älterer Grundversorger, der, wie die mit diesem Artikel in erster Linie angesprochenen Kollegen, die Zukunft seiner Praxis plante und plant, bin ich 2018 mit diesem Neuschitzer (damals Ärztevermittler der HR Zug) in Kontakt gekommen. Über seine Vergangenheit in Österreich (siehe «Rundschau»-Sendung vom 3.6.2020) wusste ich damals noch nichts. Er überzeugte mich mit der Geschäftsidee, mit dem Seniorarzt eine GmbH zu gründen (Arzt-Beteiligung 40%). MeinArzt würde einen neuen, jüngeren Praxiskollegen suchen und anstellen, die Leitung des Ge­schäfts­ganges der Einzelpraxis (GmbH) hät­ten indes weiterhin der Seniorarzt und der CEO Neuschitzer inne. Nach und nach würde ein neues Praxisnetzwerk entstehen mit ausschliesslich gut laufenden Grundversorgerpraxen und Ärzten als motivierten Mitbeteiligten. Auch der jeweilige Neuarzt hätte, nach einer einjährigen Bewährung, die Möglich­keit, Anteile und somit Mitsprache zu er­werben.
Leider entpuppte sich bald all das als Bluff. Eine Ärztemitbeteiligung war und ist für Neuschit­zer nur von Nachteil. Bereits ich bin nie im Handelsregister eingetragen worden, obwohl vertraglich vorgesehen. Er wollte und will sich verständlicherweise nicht in die Geschäfts­bücher blicken lassen, und eine ordent­liche Buchhaltung und ein Revisor wurden nie vorgesehen. Ohne jedes Budget stürzte und stürzt er sich in einen Praxiskaufrausch, erwarb auch nicht mehr rentierende Praxen und häufte Schulden! Die Folgen: Mahnungen, Betreibungen und Pfändungen sowie Lieferstopps reihenweise, Abschaltung des Stromes oder Unterbrechung von Telefon- und Internetverbindungen. Für Neuschitzer waren dafür aber alleine eine (von ihm an­gestellte!) Buchhalterin und die zu wenig schnell abrechnenden Ärzte schuld (NB hat die Administrationszentrale – Patienten­datenschutz hin oder her – Einblick und Zugriffsmöglichkeiten auf die gesamte elektronische KG des Arztes und kann nach Belieben Rechnungen versenden!).
Meine zunehmende Kritik dieses Gebarens wurde als Störung des Friedens in der wunderbaren MeinArzt-Familie (bestehend aus von Neuschitzer abhängigen, ausländischen Ärzten, vorwiegend aus Osteuropa. Kein einziger Schweizer Jungarzt ist dabei) quittiert. Wenn der «zufriedene» Arzt aufbegehrt, dann hat er sogleich keinen Zugang mehr zu seinen Patientendaten und wird von der Praxis ausgesperrt (z.B. Kollegin in Effretikon aus der «Rundschau»-Sendung).
Mich erwischte es Ende Oktober 2019: Als Seniorarzt wurde ich plötzlich unwichtig und ­erhielt die Mitteilung, es «ende hier» (bei ­bereits erfolgter Kündigung des alten Praxis­standortes auf den 31.12.2019 und geplantem Umzug in die neue Hallenbadpraxis!).
Die Trennungsgeschichte ist noch nicht zu Ende. Unterdessen kauft Neuschitzer weiter, und niemand hält ihn auf, wenn sich die Ärzteschaft nicht selber wehrt.
Darum: Cavete Kollegae Senior- und Juniorärzte, widersteht den Neuschitzer’schen Verlockungen, überlasst ihm schweizweit keine einzige Arztpraxis mehr, denn er löst das Problem des Grundversorgungsmangels alles andere als auf seriöse Art und Weise.