Weg mit den Alten

Briefe / Mitteilungen
Édition
2020/1516
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2020.18842
Bull Med Suisses. 2020;101(1516):537

Publié le 07.04.2020

Weg mit den Alten

Vor wenigen Tagen wurde an der Panikschraube bezüglich Coronavirus noch eine Umdrehung weiter gedreht: Wer älter als 65 Jahre ist, darf, da zur besonders gefähr­deten Gruppe gehörend, das Haus nicht mehr verlassen, nicht einmal mehr einkaufen gehen.
Welche Fürsorglichkeit. Honi soit qui mal y pense.
Seit Jahren und Jahrzehnten wird am Gesundheitssektor gespart. Wird privatisiert und primär nach ökonomischen Gesichtspunkten entschieden und strukturiert. Und nun fehlen die Intensiv- und Beatmungs­betten, im Tessin, wo der Schreiber wohnt, wie anderswo, aber hier vielleicht mehr. Was also wie eine besondere Fürsorglichkeit gegen eine identifizierte (fraglich nach den ­Statistiken) Risikgruppe, eben unsere lieben Alten, daherkommt, ist der geschickt/schlecht vertuschte Versuch, die ­benötigten Intensivplätze im Falle des zu erwartenden An­sturmes den Jüngeren vorzubehalten, damit die Triage auf ­Leben und Tod – wem? – erspart bleibt.
Bis anhin waren die Alten eine wohlfeile Reserve für Kinderbetreuung, Haushalt, Hilfe jeder Art bei den im Stress stehenden jungen ­Familien. Sie haben ihr Leben lang ihre Rentenbeiträge bezahlt. Aber nun sollen sie ge­fälligst zurückstehen, um den für die Ökonomie wertvolleren Jüngeren den Sauerstoff zu überlassen.
Auch wenn hinter den wohlfeilen Worten Rücksicht zu stehen scheint – in Wirklichkeit ist es nichts als eine brutale Umverteilung der Ressourcen.
Eine Schande der politischen Kaste, die das beschliesst. Wieso wehren sich die Kollegen nicht, zumal die älteren?