Gerechte Sozialversicherungen – Die Botschaft aus der Bäckerei

Briefe / Mitteilungen
Édition
2020/04
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2020.18590
Bull Med Suisses. 2020;101(04):100

Publié le 21.01.2020

Gerechte Sozialversicherungen – die Botschaft aus der Bäckerei

Zur Neujahrsbotschaft unserer Bundespräsidentin
Eine gute Idee für die kurze Neujahrsansprache unserer Bundespräsidentin, der Standpunkt aus ihrer Bäckerei! Wesentlich sind ­dabei ihre Aussagen zur sozialen Verantwortung, nicht nur für die Bäcker, auch für die Produzenten unserer Lebensmittel, dort, wo sie produziert werden, und dort, wo jeder «sein Brot verdient» (deserve, mériter). Nur wenn es allen gut geht, können alle glücklich werden.
Jeder Staat kann das Geld (konservierte Arbeit) seiner Bürger (die Steuern und die aus­senpolitische Beute, z.B. Zoll, Kriegsgewinne, Nationalbank) nur einmal ausgeben, «verteilen». Das Bundesamt für Verkehr hat mit den vielen Alpentransversalen das Konzept mindestens für die Ostschweizer vermasselt. Das Geld für ein Loch im Gotthard fehlt für weitere östliche Löcher in Bergen, aber auch für die Löcher im Emmentaler, vor allem aber für sozialpolitische Bedürfnisse im Gesundheitswesen (kantonaler TARMED-Taxpunkt). Dieses «Gotthard-Emmentaler-Syndrom» gilt auch innerhalb der Medizin: Geriatrie–Pädia­trie, Chirurgie–Pharmakotherapie, Allergo­logie–Onkologie, Psychiatrie–Reproduktionsmedizin, stationär–ambulant usw.
«Man» wird älter in der Schweiz und stirbt nicht mehr an Altersschwäche, nicht mehr wegen einer Diagnose, sondern an der individuellen Polymorbidität mit oft über zehn relevanten Diagnosen. – Das ist nur möglich, weil alle Spezialitäten erfolgreich waren. Die Therapie der Polymorbidität erfordert jedoch interdisziplinäre Kompromisse.
Bäcker haben ein hohes Risiko, an einer berufsbedingten Allergie, einer schweren Berufskrankheit, zu erkranken, weshalb viele ­ihren Beruf aufgeben müssen.
Privatversicherer sparen, indem sie die ­Anerkennung erschweren und Leistungen ­erfolgreich einschränken, Krankenkassen versuchen gemäss Art. 32 KVG mit Durchschnittszahlen und WZW-Kriterien die ­Kosten der (Land-)Ärzte zu reduzieren, bis es keine mehr gibt. Für Kliniken ist der Unterschied kaum relevant für die DRG-Klassifikation.
Der Art. 19 KVG (Verhütung von Krankheiten) ist machtpolitisch schwierig lösbar, deshalb sublimiert. Reduzieren kann man Berufskrankheiten (auch berufsbedingte Psycho­reaktionen) nur, wenn sie als solche erfasst werden.
Krankenkassenprämien sind wie Brotpreise politisch heikel. Die Französische Revolution begann mit einem Mehlkrieg am 27.4.1775 auf dem Getreidemarkt in Beaumont-sur-Oise, supprimiert mit 25 000 Soldaten. Bei der Bastille am 14.7.1789 funktionierte dies militärisch nicht mehr.