Achillessehnenrupturen: Eine andere Perspektive

Briefe / Mitteilungen
Édition
2020/04
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2020.18528
Bull Med Suisses. 2020;101(04):99

Publié le 21.01.2020

Achillessehnenrupturen: eine ­andere Perspektive

Ausgangslage
Die SÄZ richtet sich an alle Schweizer Ärzte. Ausgewogenheit muss das oberste Ziel sein, Stand des Wissens und offene Fragen müssen neutral dargestellt werden.
In Nr. 47 (2019), S. 1565ff, thematisiert ein an­erkannter Fachmann zwei Themen: Achillessehnenruptur und Nutzen der Cochrane Library.
Kollege Krause lobt hohen Nutzen, Benutzerfreundlichkeit und geringen Zeitaufwand der Cochrane Library. Unter den Behandlungs­varianten sei die konservative Behandlung eindeutig zu bevorzugen.
Die Autoren des vorliegenden Artikels, ebenfalls Spezialisten des Fachgebietes, können die Schlussfolgerungen nicht mittragen.
Übergangene Aspekte/Kritikpunkte und ­Diskussion
Achillessehnenruptur:
1. Die konservative Behandlung führe ohne grosse Probleme zu guten Resultaten. Die hohe Re-Ruptur-Rate und die bleibende Verlängerung (±8 mm), welche einen vollständigen Wiederaufbau der Kraft verunmöglicht, werden verschwiegen.
2. Ärzte, die nicht regelmässig Patienten mit Achillessehnenrupturen beraten: Sollte aus unserer Sicht vermieden werden. ­Patienten, insbesondere solche mit sportlichen Ansprüchen, sind von einem diesbezüglich erfahrenen Kollegen zu beraten.
3. Die Komplikationsrate der chirurgischen Versorgung ist in erfahrenen Händen gering, wenn Risikopatienten ausgeschlossen werden.
4. Wiederherstellung der Kontinuität und Spannung der Sehne sind Basis für das Erreichen einer vollen Funktion und Kraft. Dies ist nur operativ zu erreichen. Der Preis: Operationsrisiko und Narbe.
5. Veränderungen der Gewebestruktur (fettige Infiltrationen wegen Elongation der Sehne) sind zu berücksichtigen (cf. Lit.).
6. Folgeeingriffe zur Funktionsverbesserung und Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit sind teuer.
Cochrane Library:
1. Kaum praktisch verwertbare Daten für chirurgische Probleme.
2. Konservative und chirurgische Behandlungsresultate werden im Vergleich häufig als gleichwertig beschrieben. Da nur die Komplikationen der Chirurgie aufgeführt werden, erscheint die konservative Behandlung als vorteilhafter (cf. Lit.).
3. Die stark variable Qualität der intra-­operativen chirurgischen Technik wird vernachlässigt, obschon sie quantifiziert werden kann. Sie korreliert mit Komplikationshäufigkeit und Kosten (cf. Lit.).
4. Voraussetzung einer Qualitätsmessung ist eine vollständige, intraoperative Bilddokumentation, die eine sekundäre Analyse/Quantifizierung ermöglicht (cf. Lit.).
5. Wesentliche operationstechnische Aspekte (z.B. Weichteilbehandlung) sind in chirurgischen Publikationen schlecht erfasst und sekundär nicht analysierbar (cf. Lit. ICUC).
6. Einschluss- und Ausschlusskriterien für eine Studie sind zu berücksichtigen. Primär ausgeschlossene oder einer Behandlungsmodalität zugeführte Patienten beeinflussen die Resultate der verbliebenen Patienten ungebührlich positiv oder negativ.
Vorschlag für ein praktisches Vorgehen und offe­ne Fragen
1. Patienten mit Achillessehnenrupturen ­einem erfahrenen Spezialisten zuweisen.
2. Ärzte sollen nach Erfahrung in der chirurgischen Behandlung befragt werden («occasional surgery» ist zu vermeiden) und umfassend über Vor- und Nachteile möglicher Behandlungen informieren.
3. Sportler und sportlich Aktive sollten eine Operation bevorzugen, um ein funktionell optimales Ergebnis zu erreichen. Ein erfahrener Operateur wird – bei geringer Komplikationsrate – meistens wieder eine Aktivität wie vor dem Unfall ermöglichen können.
4. Diskussion über Varianten der chirurgischen Behandlung bleibt offen.
Fazit und Ausblick
1. Operative und konservative Behandlung der Achillessehnenruptur sind Alterna­tiven.
2. Entscheidung abhängig von sportlichen Ansprüchen und Co-Morbiditäten.
3. Operative Erfahrung korreliert mit den Resultaten. «Occasional surgery» vermeiden.
4. Chirurgische Behandlung für sportliche ­Patienten zu empfehlen. Komplikationsrate gering.
5. Sekundäre Analyse der operationstechnischen Qualität nur mit vollständiger in­traoperativer Bilddokumentation möglich (cf. Lit.).