Ein Jahr nach dem Start des Online-Registers

Nationales Organspenderegister – wo stehen wir heute?

Weitere Organisationen und Institutionen
Édition
2020/04
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2020.18416
Bull Med Suisses. 2020;101(04):94-97

Affiliations
Swisstransplant, die Schweizerische Nationale Stiftung für Organspende und Transplantation

Publié le 21.01.2020

Das Onlineregister von Swisstransplant ist gut gestartet und verzeichnet einen hohen Anteil an Zustimmungen zur Organspende. Ziel ist, dass in Zukunft noch mehr Menschen festhalten, ob sie nach dem Tod Organe spenden möchten oder nicht. Eine verstärkte Information der Bevölkerung sowie Partnerschaften mit Gesundheitsversorgern, insbesondere der Hausärzteschaft, werden deshalb angestrebt.
Als Swisstransplant, die Schweizerische Nationale Stiftung für Organspende und Transplantation, am 1. Oktober 2018 das Nationale Organspenderegister lancierte [1], war rasch klar, dass dieses in der Bevölkerung auf ein positives Echo stösst: Innerhalb von einer Woche haben über 20 000 Personen ihren Entscheid bezüglich der Organ- und Gewebespende unter www.organspenderegister.ch dokumentiert. Dies zeigte, dass bei vielen Personen ein Bedürfnis besteht, den Entscheid in Bezug auf eine Organspende verbindlich festzuhalten.
Das Nationale Organspenderegister ist zudem ein zentrales Element im Kontext der Diskussion, wie die Situation der Organ- und Gewebespende in der Schweiz verbessert werden kann [2]. Die Volksinitiative «Organspende fördern – Leben retten», welche die Einführung der Widerspruchslösung fordert, hat die Problematik, dass der Wille der verstorbenen Person sehr oft unbekannt ist, in den gesellschaftlichen und politischen Fokus gerückt. Die Vernehmlassung zum indirekten Gegenvorschlag des Bundesrats zur Initiative wurde im Dezember 2019 abgeschlossen [3].

Das Register in Zahlen

Im Nationalen Organspenderegister haben innerhalb des ersten Jahres über 65 000 Personen ihre Entscheidung bezüglich der Organ- und Gewebespende festgehalten. Registriert haben sich bis Ende September 2019 mehrheitlich Frauen (58%) sowie zu 91% Personen, die bereit sind, alle Organe zu spenden. Das Durchschnittsalter aller Registrierten beträgt 42 Jahre. Personen, die eine Auswahl an Organen oder Gewebe spenden möchten, sind im Durchschnitt mit 39 Jahren leicht jünger. Deutlich höher, bei rund 50 Jahren, liegt hingegen das Durchschnittsalter von Registrierten, die entweder den Entscheid einer Vertrauensperson überlassen oder eine Organ- und Gewebespende ablehnen. Aus wird ersichtlich, dass bei den Registrierten unter 40 Jahren Frauen besonders stark vertreten sind. Praktisch keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern gibt es hingegen beim registrierten Entscheid, weshalb in die Gesamtverteilung der Entscheidungen dargestellt ist (alle Daten entsprechen dem Stand Ende September 2019).
Abbildung 1: Anzahl Registrierungen nach Altersgruppe und Geschlecht.
Tabelle 1: Registrierter Entscheid.
Registrierter Entscheidn%
Zustimmung zur Organspende59 26991
Auswahl an Organen, Gewebe und Zellen1 5212
Vertrauensperson soll entscheiden9461
Keine Spende3 6606
Total Registrierungen65 396100

Regionale Unterschiede bei Registrierung und Entscheid

Frühere Untersuchungen wiesen bereits darauf hin, dass in der Schweiz gewisse regionale Unterschiede bei der Auseinandersetzung mit dem Thema «Organspende und Transplantation» sowie bei der Bereitschaft zur Spende bestehen. Die Sensibilität für das Thema ist in der Romandie besonders hoch [4–7]. Dies zeigt sich auch bei den Einträgen im Organspende­register. Mit Ausnahme des Kantons Genf haben anteils­mässig an der Bevölkerung bisher überdurchschnittlich viele Menschen aus der französischsprachi­gen Schweiz ihren Entscheid registriert (). Ebenfalls höher ist die Bereitschaft zur Organspende bei Registrierten aus den Kantonen der Romandie sowie im Tessin mit 94%, verglichen mit der Deutschschweiz, wo sie bei 89% liegt.
Abbildung 2: Anzahl Registrierungen als Prozent der ständigen Wohnbevölkerung über 16 Jahre pro Kanton.

Was wurde bisher erreicht?

Besonders viele Menschen registrierten ihren Entscheid, wenn das Thema «Organspende und Transplantation» in den Medien stark präsent war. Dies zeigt sowohl, dass die Wahrnehmung des Themas in der Bevölkerung wichtig ist und weiter gefördert werden sollte, als auch, dass die Bereitschaft besteht, den persönlichen Entscheid – sei es ein Ja oder ein Nein zur Spende – im Organspenderegister festzuhalten.
Ein Eintrag des Entscheids, welcher von der registrierten Person jederzeit modifizierbar ist, hat mehrere Pluspunkte: Er entlastet die Angehörigen, da Klarheit bezüglich der Einstellung zur Organ- und Gewebe­spende der verstorbenen Person besteht und sie keine Entscheidung in Unkenntnis des Willens treffen müssen. Unter diesem Aspekt ist es wichtig, dass im Register ein Ja ebenso wie ein Nein zur Spende dokumentiert werden kann. Zudem bietet das Register die Option, nur eine Auswahl an Organen und/oder Gewebe zu spenden oder den Entscheid einer Vertrauensperson zu überlassen.
Ein Registereintrag ist ebenso eine Entlastung des Spitalpersonals, weil der Wille der verstorbenen Person gemäss dem registrierten Entscheid zweifelsfrei um­gesetzt werden kann. Das Register ist jedoch nicht nur eine Weiterentwicklung der Spendekarte, sondern vielmehr eine neue Informations- und Austauschplattform zwischen den Spitälern und Swisstransplant, der Nationalen Zuteilungsstelle. Da im Rahmen der Abklärungen betreffend einer eventuellen Organspende eine Abfrage des Registers durch die Nationale Zuteilungsstelle erfolgen muss, wird der Informationsaustausch optimiert: Das Spital erfährt zeitnah, ob eine Organspende überhaupt in Frage kommt, und die Nationale Zuteilungsstelle kann bereits darüber orientiert werden, welche Organe gegebenenfalls für eine Transplantation medizinisch geeignet sind. In diesem Zusammenhang ist auch wichtig zu wissen, dass eine Abfrage des Registers ausschliesslich unter folgenden Bedingungen stattfinden kann: Das Spital, in dem ein Pa­tient respektive eine Patientin behandelt wurde, kann nur bei infauster Prognose und nach beschlossenem Therapieabbruch eine Registerabfrage durch die Nationale Zuteilungsstelle veranlassen. Als Sicherheitsmassnahme löst jede Registerabfrage automatisch eine zeitlich verzögerte E-Mail an die registrierte Person aus, was garantiert, dass keine Abfrage stattfinden kann, ohne dass die registrierte Person informiert wird.
Seit der Lancierung des Registers gab es bereits drei ­Abfragen, bei denen Personen, welche für eine Organspende in Frage kamen, ihren Entscheid registriert ­hatten. Wenn man bedenkt, dass ein Registereintrag freiwillig ist, so sind die bisherigen über 65 000 Registereinträge beachtlich. Allerdings entspricht dies erst knapp einem Prozent der ständigen Wohnbevölkerung über 16 Jahre. Verglichen mit den gut 16% der Bevölkerung, die in der Schweizerischen Gesundheitsbefragung 2017 angaben, eine Spendekarte zu besitzen, ist die Registrierungsquote nach einem Jahr ebenfalls bemerkenswert – insbesondere unter dem Aspekt, dass die Zunahme bei der Verbreitung der Spendekarten zwischen 2007 und 2017 nur gerade 4,5 Prozentpunkte betrug [6].
Das elektronische Organspenderegister verfügt zudem bereits im ersten Jahr seines Bestehens über eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung. Personen, die ihren Entscheid noch nicht festgehalten haben, würden hierzu das Register gegenüber der herkömmlichen Spendekarte klar bevorzugen (22 vs. 9%). Dies zeigt eine repräsentative Befragung von rund 1200 Stimmberechtigten, welche das Forschungsinstitut gfs.bern im Auftrag von Swisstransplant durchgeführt hat [8]. Bei den 18- bis 39-Jährigen ist dies noch ausgeprägter der Fall: Während nur eine von zehn Personen am ehesten die Spendekarte wählen würde, sind es drei Personen, die ihren Entscheid im Register eintragen würden.
Der Registrierungsprozess wurde innerhalb des ersten Jahres wesentlich vereinfacht: Via Smartphone oder Tablet kann man die Entscheidung nun in drei Minuten dokumentieren und die Registrierung mit einem Porträtfoto und der Unterschrift auf dem Touchscreen abschliessen. Bereits rund die Hälfte der gut 5200 Personen, die sich im September 2019 registrierten, machten von dieser unkomplizierten, papierlosen Art des Registereintrags Gebrauch.

Partnerschaften

Um die Bekanntheit des Registers zu steigern und möglichst breite Bevölkerungsschichten zu einem Eintrag des Entscheids zu motivieren, ist Swisstransplant bereits Partnerschaften mit verschiedenen Institutionen eingegangen und dabei, weitere Partner zu gewinnen.
Seit Anfang Juni 2019 sind «Cubes», mobile Registrierungsstationen mit integriertem Tablet, vor allem in Spitälern präsent. Cubes können an ausgewählten Standorten platziert werden und ermöglichen eine einfache Registrierung. In vielen grossen Spitälern sind Cubes bereits im Einsatz oder ist ein solcher in naher Zukunft geplant.
Ebenso gab es einen Pilotversuch in Zusammen­arbeit mit der Schweizer Armee im Rekrutierungszentrum Rüti ZH. Dabei hat sich gezeigt, dass ­sowohl das Thema «Organspende» als auch die Möglichkeit, seinen Entscheid einfach online zu dokumentieren, bei den Stellungspflichtigen auf Anklang stösst. Deshal­b wurden weitere Rekrutierungszentren und ab 2020 auch Rekrutenschulen in die Informationskampagne zum Nationalen Organspende­register auf­genommen.

Wie kann sich die Hausärzteschaft ­engagieren?

Hausärztinnen und -ärzte geniessen in der Schweizer Bevölkerung ein hohes Vertrauen. Deshalb erstaunt es nicht, dass gemäss einer Erhebung, welche Swisstransplant 2015 durchführen liess, 86% von 1000 Befragten den Hausarzt beziehungsweise die Hausärztin als ­geeignet erachten, um Informationen zum Thema ­«Organ- und Gewebespende» zu erhalten. Daher plant Swisstransplant für Anfang 2020 ein Pilotprojekt mit interessierten Hausarztpraxen. Teilnehmende aus den Praxen können ihren Wissensstand mittels eines kostenlosen E-Learnings aktualisieren, für das die Vergabe von Credits durch die SGAIM geplant ist. Anschlies­send können Hausärztinnen und -ärzte Patienten und Patientinnen über Organspende und Transplantation sowie das Organspenderegister orientieren. Der Entscheid zur «Organspende – Ja oder Nein?» kann unmittelbar durch die Patienten in der Praxis festgehalten werden. Neben der Grundausbildung stellt Swisstransplant kostenloses Informationsmaterial und Tablets zur Verfügung, womit Patientinnen und Patienten ihren Entscheid einfach und vor Ort im Register eintragen können. Ideell unterstützt wird das Projekt durch das Kollegium für Hausarztmedizin; interessierte Praxen setzen sich bitte mit Swisstransplant in Verbindung (siehe Kasten «Kontakt zu Swisstransplant»).

Kontakt zu Swisstransplant

– Für Hausärztinnen und -ärzte, die am Pilotprojekt teilnehmen möchten: Dr. pharm. André Schmutz, Senior Project Leader, Swisstransplant, Effingerstrasse 1 / Postfach, 3011 Bern, Telefon 058 123 80 25, E-Mail:
andre.schmutz[at]swisstransplant.org
– Website des Registers: www.organspenderegister.ch
– Homepage von Swisstransplant: www.swisstransplant.org

Fazit und Ausblick

Das Nationale Organspenderegister ist mit über 65 000 Einträgen innerhalb eines Jahres gut gestartet. Denn jede registrierte Zustimmung oder Ablehnung gibt im Todesfall sowohl den Angehörigen als auch dem Spitalpersonal Gewissheit bezüglich des Willens der verstorbenen Person. Damit noch mehr Personen ihren Entscheid im Organspenderegister festhalten, braucht es aber eine kontinuierliche und umfassende Information der Bevölkerung. Die Informationsvermittlung muss weiterhin über verschiedene Kanäle stattfinden, damit möglichst breite Bevölkerungsschichten angesprochen werden. Dabei spielen neben Medienpräsenz und Sensibilisierungsaktivitäten über Social Media auch die Armee und insbesondere Gesundheitsversorger wie Spitäler und die Hausärzteschaft eine wichtige Rolle.

Das Wichtigste in Kürze

• Das Nationale Organspenderegister von Swisstransplant stösst in der Bevölkerung auf ein positives Echo.
• Innerhalb des ersten Jahres haben über 65 000 Personen ihren Entscheid betreffend einer Organ- und Gewebespende online festgehalten.
• Über 90% stimmen einer Spende nach ihrem Tod zu.
• In der Romandie ist sowohl die Bereitschaft zur Registrierung als auch zur Spende überdurchschnittlich.
• Besonders viele Registrierungen waren bisher zu verzeichnen, wenn das Thema «Organspende und Transplantation» in den Medien stark präsent war.
• Partnerschaften mit der Armee, Spitälern und Gesund­heitsversorgern, namentlich der Hausärzteschaft, sollen in Zukunft dazu beitragen, dass möglichst breite Bevölkerungsschichten über das Nationale Organspenderegister infor­miert sind.

L’essentiel en bref

• Le Registre national du don d’organes de Swisstransplant est bien accueilli par la population.
• Au cours de la première année, plus de 65 000 personnes ont enregistré en ligne leur décision concernant le don d’organes et de tissus.
• Plus de 90% acceptent de faire un don après leur décès.
• En Suisse romande, la volonté de s’enregistrer et de donner est supérieure à la moyenne.
• Jusqu’ici, les inscriptions étaient particulièrement nombreuses lorsque le sujet du don d’organes et de la transplantation était très médiatisé.
• A l’avenir, des partenariats avec l’armée, les hôpitaux et les prestataires de santé, notamment les médecins de famille, doivent contribuer à faire connaître le Registre national du don d’organes d’un public le plus vaste possible.
Es bestehen keine Interessenkonflikte.
PD Dr. med. Franz F. Immer
Facharzt für Herz- und thorakale Gefässchirurgie
CEO Swisstransplant
Effingerstrasse 1
Postfach
CH-3011 Bern
Tel. 058 123 80 02
Fax 058 123 80 01
franz.immer[at]swisstransplant.org
1 Kreis J, Thurnherr V, Immer FF. Erstes nationales Organspende­register. Schweiz Ärzteztg. 2018;99(38):1272–3.
2 Weiss J, Immer FF. Organspende in der Schweiz – explizite oder vermutete Zustimmung? Schweiz Ärzteztg. 2018;99(5):137–9.
3 Der Bundesrat. Bundesrat eröffnet Vernehmlassung zur erweiterten Widerspruchslösung. Bern, 13.9.2019. https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen/rss-feeds/nach-dienststellen/medienmitteilungen-und-reden.msg-id-76397.html
4 Weiss J, Coslovsky M, Keel I, Immer FF, Jüni P, Comité National du Don d’Organes (CNDO). Organ Donation in Switzerland – an ­Analysis of Factors Associated with Consent Rate. PLoS One. 2014;9(9):e106845.
5 Balthasar A, Müller F. Auswertungen ausgewählter Daten der Schweizerischen Gesundheitsbefragung 2007 zum Bereich Transplantation – Bericht im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit (BAG). Luzern 2009. https://www.bag.admin.ch/dam/bag/de/dokumente/e-f/evalber-biom-forsch/2009-auswertung-sgb-2007-transplantation.pdf
6 Bundesamt für Gesundheit BAG. Einstellung und Verhalten der Bevölkerung zum Thema «Spenden von Organen, Geweben und Zellen»: Veränderungen von 2007 bis 2017 – Foliensatz 2019. ­https://www.bag.admin.ch/dam/bag/de/dokumente/e-f/evalber-biom-forsch/2019-einstellung-bevoelkerung-organspende-sgb-2007-2017-ppt.pdf
7 Weiss J, Shaw D, Schober R, Abati V, Immer FF, Comité National du Don d’Organes CNDO. Attitudes towards organ donation and relation to wish to donate posthumously. Swiss Med Wkly. 2017;147:w14401.
8 gfs.bern. Planungsstudie Initiative «Organspende fördern – Leben retten»: Schlussbericht. Bern, 24.9.2019. https://www.swisstransplant.org/fileadmin/user_upload/Infos_und_Material/Medienmitteilungen/Umfrage/Schlussbericht_gfsbern.pdf