Replik: Ernährung in der Spitalmedizin

Briefe / Mitteilungen
Édition
2019/42
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2019.18269
Bull Med Suisses. 2019;100(42):1389

Publié le 15.10.2019

Replik: Ernährung in der Spitalmedizin

Wir danken Frau Weber für den Diskussionsbeitrag. Gerne nutzen wir die Gelegenheit, eini­ge der Punkte aufzugreifen.
Wir sind überzeugt, dass ein interdisziplinärer Schwerpunkttitel «Ernährungsmedizin» der FMH nicht zu einer Fragmentierung der Medizin führen würde, sondern im Gegenteil die Ernährungsmedizin bei Internisten verankern und stärken würde. Im Medizinstudium und der internistischen Ausbildung hat die klinische Ernährung leider einen geringen Stellenwert, und das Wissen vieler Internisten bezüglich klinischer Ernährung ist oft wenig fundiert. Deshalb werden Ernährungsthemen im Alltag häufig ignoriert oder an die Ernährungsberatung delegiert.
Ein interdisziplinärer Schwerpunkttitel «Ernährungsmedizin» der FMH bietet die Möglichkeit, sich in diesem Thema zu vertiefen und somit als Katalysatoren das internistische Team zu ergänzen und fachlich zu verstärken. Es geht in keiner Weise um das Delegieren der klinischen Tätigkeit an Schwerpunktinhaber, wie von den Autoren postuliert. Der Schwerpunkt würde zu einer Stärkung des Themas bei der Aus- und Weiterbildung führen und dabei ein strukturiertes Vorgehen sichern.
Die Idee eines interdisziplinären Schwerpunkts «Ernährungsmedizin» basiert auf einer viel breiteren Sicht der Ernährungsmedizin als von den Autoren dargestellt. Es geht nicht nur um die Ernährung bei Mangel­ernährung im internistischen Spitalsetting (wie in der EFFORT-Studie untersucht [1, 2]), sondern auch um Ernährung bei Stoffwechsel- und Magen-Darm-Erkrankungen, um die enterale und parenterale Ernährung auf der Intensivstation, um präventive Aspekte der Ernährung und vieles mehr. Ein weiteres, wichtiges Element ist die Zuständigkeit des Schwerpunktinhabers für die Schaffung von interdisziplinären Ernährungsteams. Solche sind essentiell für eine erfolgreiche und ef­fektive Ernährungsintervention im Spitalbereich.
Der Nachweis der Effizienz und Sicherheit von Ernährungsinterventionen ist notorisch schwierig, und oft gibt es keine hochquali­tative Evidenz, wie wir uns das von Medikamentenstudien gewohnt sind [3]. Diesbezüglich sind wir mit der kritischen Beurteilung der Autoren einverstanden. Bezüglich der Effizienz der Ernährungstherapie bei stationären medizinischen Patienten mit Risiko für Mangelernährung haben jedoch verschiedene neuere Studien positive Effekte auf klinische Endpunkte gezeigt.
Niemand behauptet, dass der DRG-Ertrag über die Sinnhaftigkeit einer Intervention entscheiden soll. Die Autoren ignorieren aber, dass die Finanzierung von Therapien einen wichtigen Einfluss auf die Ressourcenplanung hat und somit eine ungenügende Kosten­deckung die Gefahr birgt, die Ernährungs­beratung in den Fokus allfälliger Sparbemühungen zu rücken. Dies ist vielleicht ein Mitgrund, warum die akademische Ernährungsmedizin in der Schweiz in den letzten Jahren nur rudimentär existierte. Auch auf diesen Umstand könnte der Schwerpunkttitel «Ernährungsmedizin» einen positiven Einfluss haben und junge Kolleginnen und Kollegen für dieses Thema sensibilisieren und motivieren. Ernährungsthemen sind heute nicht nur in der Medizin, sondern in der ganzen ­Gesellschaft hochaktuell. Eine verbesserte akademische Stellung der Ernährungsmedizin soll dazu führen, dass dieser wichtige ­Aspekt der Prävention und Therapie möglichst evidenzbasiert und wirksam in der ärztlichen Praxis angewendet wird.