Auf beiden Seiten sind berufspolitische und ökonomische Interessen massgeblich

Briefe / Mitteilungen
Édition
2019/2930
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2019.18025
Bull Med Suisses. 2019;100(2930):977

Publié le 16.07.2019

Auf beiden Seiten sind berufspolitische und ökonomische Interessen massgeblich

Thema: Psychotherapie-Debatte
Auch als Psychiater (sowie neuerdings zudem als «Zuhälter», siehe NZZ vom 26. Juni 2019) möchte ich meinen Ärger darüber nicht verhehlen, in welchem Umfang auch Sie den psychologischen Lobbyisten die Möglichkeit zu deren Ausbreitung geben. Ich beeile mich zu konzedieren, dass sich auf der psychiatrischen Seite ebenso Lobbyisten in ebenso einseitiger berufspolitischer Weise äussern – und sich genauso mit ihrer etwas bigott wirkenden Sorge um nicht genügend behandelte oder stigmatisierte Patienten tarnen. Aber wer definiert denn eigentlich wie genau und in wessen (wirklichem) Interesse den Versorgungsbedarf? Immerhin scheint zwischen den Zeilen gelegentlich durch, dass in erster Linie berufspolitische und unverkennbare ökonomische Interessen massgeblich sind – dies allerdings ganz offensichtlich auf beiden Seiten. In diesem Zusammenhang eine zu erwartende Mengenausweitung zu bestreiten oder in eigener Sache zu relativieren, wirkt nicht sonderlich überzeugend. Dass manche Psychiater – leider – Psychologen zu kaum vertretbaren Bedingungen beschäftigen, ist mehr als bedauerlich. Diese Minderheit dürfte sich aber höchstens zur bewährten journalistischen Skandalisierung eignen. Wohl nicht ganz zu Unrecht wird hingewiesen auf die Versorgung schwer und komplex gestörter ­Patienten bzw. auf die – rhetorische – Frage, wer bzw. welche der beiden sich streitenden Berufsgruppen sich wohl dieser Patienten ­annehmen müsste. Wer wird diese Patienten triagieren und inwiefern wird dies die Attraktivität einer Tätigkeit als Psychiater erhöhen? Wie eingangs gesagt: Ich möchte lediglich meinen Ärger loswerden, natürlich ohne damit zur Problemlösung beizutragen. Ich hätte lediglich den Wunsch, dass inskünftig vermehrt Beiträge zu einem echten, nicht primär interessengeleiteten, sondern sachbezogenerem Diskurs publiziert werden.