Amtlich verhinderte Organspende bei legaler Freitodbegleitung

Briefe / Mitteilungen
Édition
2019/1718
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2019.17810
Bull Med Suisses. 2019;100(1718):609

Publié le 23.04.2019

Amtlich verhinderte Organspende bei legaler Freitodbegleitung

Als alter Allgemeinpraktiker muss ich einen Frust loswerden.
Vor meiner Praxis blüht weiss ein Kirschbaum, der gestern noch weiss, voller frischem weissem Schnee, im Frost dastand.
In der letzten Ärztezeitung las ich: fünf Gründe für das Verbot von Organspenden am Lebensende.
Eine weltferne, abgehobene Gruppe von «Fachleuten», AePOL, die stolz ist, dass nach ihrem Hirntod wenigstens ihre Zehennägel noch wachsen, schreibt drei Seiten lang akademisch-religiös verbrämte Argumente für das Verbot der leider in der Schweiz immer noch zu seltenen Organspende nach dem Tod. Ich bin sicher, dass diese Schreibtischtäter ihre patientenverachtende Meinung ändern werden, sobald in ihrer Familie eine überlebenswichtige oder lebenserhaltende Transplantation auf die Warteliste kommt.
Bei einer ärztlichen Fortbildung über Organtransplantation in einem Kantonsspital – mit dem überzeugenden persönlichen Referat ­einer herztransplantierten Patientin über ihr erfülltes Leben seit ihrer Herztransplantation – löste meine folgende Frage allgemeines Erstaunen aus und wurde nachher sogar schriftlich bestätigt: Von einem sonst gesunden, jungen Patienten, der posttraumatisch trotz optimaler, erfolgloser Reha dauernd und ­unerträglich litt und der wohlerwogen den Wunsch hatte, alle seine Organe zu spenden, weil er bald legal mit von ihm aufwendig ­organisierter Sterbehilfe auf sichere, humane Art sterben wollte und dann auch starb, durfte aus amtlich-administrativen, «ethischen Gründen» kein Transplantat entnommen werden.
Konkret: Einem unfallbedingten Tetraplegiker, der nur noch mit dem Computer schreiben konnte, der eindeutig urteilsfähig, selbstbestimmt und sterbewillig war und der gesunde Spenderorgane hatte, durfte aus «ethischen Gründen» der letzte Wille nicht ­erfüllt werden. Klar: Diese Sterbebegleitung hätte – z.B. für seine Herzspende – hospitalisiert und auf völlig unkonventionelle Art erfolgen müssen.
Solche praxisferne sture Ethiker bringen mit jedem analogen Fall immer wieder wahrscheinlich mehrere vergeblich hoffende, schwerstkranke Organempfänger um. Sie missachten damit laufend und bewusst auch den letzten – wohlbedachten – Willen jedes spendewilligen und spendefähigen Patienten, der auf dem Weg ist zu seinem eindeutigen, legalen, geprüften und von mir gemäss gültigen Richtlinien akzeptierten Sterbewunsch. Sie nötigen mich jedes Mal, diesen Patienten über die für ihn und mich völlig absurde Rechtslage zu orientieren, und sie beweisen mir erneut – wie bereits in mehr als einem ähnlichen Fall –, dass unsere «Ethiker» und die davon abhängige amtliche Administration völlig ausserhalb vom realen Leben stehen und entscheiden.
Ich erwarte, dass unsere Transplantations­organisatoren jetzt auch dieses Problem intensiv bearbeiten und auf eine Art lösen, die kämpft für ihre schwerkranken Patienten, frei von religiösem Mantel oder theoretisch-ethischem Hintergrund.
Juristisch abgesichert und vor sensationshungriger Presse geschützt, sollten unsere Transplantationsspezialisten bei analogen Einzelfällen zum Wohl von Schwerstkranken ­arbeiten können.