Unverständliche Arztrechnungen, ein "roter Hering"?

Briefe / Mitteilungen
Édition
2019/10
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2019.17629
Bull Med Suisses. 2019;100(10):336

Publié le 06.03.2019

Unverständliche Arztrechnungen, ein «roter Hering»?

Kennen sie den Begriff des «red hering»? Ich habe ihn in einem Artikel in unserer SÄZ erstmals gelesen und, da ich ihn nicht kannte, nach seiner Bedeutung gesucht. «Red hering» heisst in der englischen Sprache sprichwörtlich «Ablenkungsmanöver», «jemanden auf eine falsche Fährte locken». Seinen Ursprung werde im Versuch gesehen, den Tierschützer unternommen hätten, den Jagdhunden mit Heringen, die sie an Schnüren durch den Jagdbezirk zogen, falsche Fährten zu legen. ­Warum dies rote Heringe sein mussten, wurde mir nicht klar …
Jedenfalls kam mir dieser rote Hering in den Sinn, als ich das Editorial «Unverständliche Arztrechnungen!» von Kollege U. Stoffel las. Im gleichen Heft erschien auch mein Artikel über «Eine Spitalrechnung, die zu denken gibt». Beide Artikel beschäftigen sich mit Rechnungsstellungen aus medizinischer ­Arbeit, haben aber keinen gemeinsamen Inhalt. Ich wäre geneigt, den Artikel von Kollege Stoffel eben als roten Hering zu bezeichnen, auch wohlwissend, dass redaktionelle Zusammenführungen von Arbeiten in der SÄZ mit ­mehreren hundert «Redaktoren», wie Kollege ­Kesseli unlängst in einem Interview meinte, nicht leicht sind und manchmal Zufälle vorkommen.
Ich kommentierte eine «zum Denken anregende» Spitalrechnung – nicht eine unübersichtliche Arztrechnung. Dabei bekleidete ich mich mit mehreren kollegialen Mänteln, schonte involvierte Parteien, vermied ­Namensnennungen und berücksichtigte in meinen Überlegungen möglichst viele Gesichtspunkte vieler interessierter Kreise. Das Nachdenken über diese Rechnung ist mir wichtig und ich möchte nicht, dass diese aus den nötigen Diskussionsfeldern gelockt ­werden.
Die zu Diskussion und Reflexion gestellte Rechnung wurde für einen eintägigen stationären Spitalaufenthalt mit aufwändiger elektrophysiologischer Intervention im Herzen erstellt. Aus ihr geht hervor, dass Zusatzleistungen fast gleich hoch in Rechnung gestellt werden wie die gesetzlichen Grundleistungen. In Prozenten ausgedrückt sind dies 45,1% zu 54,9%. Da stellt sich unweigerlich die Frage, ob es überhaupt möglich ist, bei dieser kurzen Hospitalisation so viel Zusätzliches zu generieren? Dabei ist wohl die aktuelle gesetzliche Situation weder politisch noch juristisch konsolidiert. Ein Blick in die Standesordnung FMH zeigt zudem, dass 2003 durch die Ärztekammer eine äusserst problematische Ergänzung im Art. 3 (Ärztliche Berufsausübung) vorgenommen wurde. Dieser wurde im 2. Absatz ergänzt: Arzt und Ärztin setzen ihre Mittel (…) zum Wohle der Patienten ein. Sie beachten dabei «im Bereich der obligatorischen Sozialversicherung» das Gebot kosteneffektiver Medizin … Wirklich nur im Bereich der obligatorischen Sozialversicherung, der Grundversicherung? Es geht doch nicht an, dass die eine Hälfte von uns Ärzten und Ärztinnen mit Aktionen wie Smarter Medicine / Choosing wisely sich auch in den Kosten zügelt und die andere Hälfte kostentreibend zuschlägt oder, was auch möglich ist, zum Zuschlagen angehalten wird.
Anmerkung der Redaktion:
Die von Kollege Iff angesprochene gleichzeitige Publikation seines Artikels mit dem ­Editorial von Zentralvorstandsmitglied Urs Stoffel ist in der Tat dem Zufall geschuldet. Um mit dem Editorial möglichst aktuell zu sein und auf Tagesgeschehen reagieren zu können, stellt die FMH der Redaktion ihr Editorial zum produktionstechnisch letztmöglichen Zeitpunkt zu. Alle übrigen Beiträge der jeweiligen Ausgabe befinden sich bei Einreichung des Editorials bereits im Druck. Da das Thema des Editorials der Redaktion jeweils nicht vorgängig bekannt ist, können die weiteren Beiträge im Heft nicht darauf abgestimmt werden.