Prof. H. Stalder scheint anzunehmen, die «Palliative Care»-Spezialisten seien nicht in der Lage, das Leiden der Betroffenen zu verstehen, dabei darf man doch (hoffentlich!) davon ausgehen, dass sie – die Palliative Care-Mediziner – legitimerweise andere Grundsätze als er haben, wie z.B.: «Je unerträglicher das Leiden, umso dringender soll man sich um Verbesserung der Lebensqualität bemühen.» Gehört es denn tatsächlich zur Medizin, angesichts eines Leidenszustands eines Betroffenen sozusagen den Mut zu verlieren und die Aufgabe, Leiden zu lindern, in diesem Fall, weil besonderer Einsatz nötig, nicht mehr als Herausforderung zu betrachten? Beim Versuch, den Schweregrad des Leidens mittels Empathie zu ermessen, ist Vorsicht nötig, damit man sich nicht z.B. durch den Defätismus eines Betroffenen, der vielleicht schon zu Zeiten, als er gesund war, als Mensch nicht gerade der Zuversichtlichste war, irritieren lässt. Umso mehr, als die Tendenz, eine «Negativsicht» als glaubhafter (als eine positive) zu beurteilen, weit verbreitet ist. Prof. K. Ernst, ehemaliger ärztlicher Leiter der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich in der SÄZ vom 30.11.1994, Seite 1902: «Dass depressive Stimmungen und Urteile auf die Meinung der Umgebungspersonen ausstrahlen, beobachtet man nicht nur bei Angehörigen und Freunden Depressiver, sondern auch bei behandelnden Ärzten und sich selbst.»