Hausarzt heute: Abrechnungshürden – mehr Frust als Lust

Briefe / Mitteilungen
Édition
2018/41
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2018.17195
Bull Med Suisses. 2018;99(41):1404

Publié le 10.10.2018

Hausarzt heute: Abrechnungshürden – mehr Frust als Lust

Die Krankenkassen möchten, dass der Patient zuerst zum Hausarzt geht. Damit sollen Kosten gespart werden. Soweit so gut. Der Hausarzt soll …
– neue Patientendossiers einlesen,
– Überweisungen zum Facharzt schreiben,
– Befunde vom Facharzt lesen,
– Medikamentenpläne kontrollieren und mit dem Patienten besprechen,
– Bescheinigungen, Rezepte, Physiotherapieverordnungen schreiben,
– Befunde an die Krankenkasse, Spitäler, Facharzt, Pflegeheime schicken,
– mit Angehörigen, Therapeuten, Spitex reden …
und das alles ist nur 30 min/3 Monate/Patient erlaubt.
Wie soll das gehen? Nach Aufbrauchen des Zeitlimits bekommen wir die Rechnung zurückgeschickt mit dem Vermerk: «2 min zuviel abgerechnet».
Der Hausarzt soll den Patienten maximal 6× 5 min / 3 Monate untersuchen. Wenn der Patient häufiger krank ist, darf der Hausarzt umsonst arbeiten. Wie soll das gehen?
Der Hausarzt soll die sek/min stoppen, die der Patient da ist. Er soll jede Handlung, jedes Einlesen, jedes Telefon stoppen. Aber wehe, es kommt ein Anruf dazwischen, dann muss die Stoppuhr angehalten werden und später wieder aktiviert werden. Wie soll das gehen? So kann ich nicht arbeiten, die Konzentration ist nicht beim Patienten, sondern bei der Stoppuhr.
Der Hausarzt darf nur noch den Notfall abrechnen, wenn Gefahr an Leib und Leben ­besteht. Also ist ein gebrochener Arm kein ­Notfall? Eine Schnittwunde kein Notfall? Ein Migräneanfall kein Notfall? Und wie sieht das der Patient? Er verlangt, sofort untersucht zu werden. Er hat beim Notfall-Telefon der Krankenkasse angerufen, diese haben ihm gesagt, er sei ein Notfall und müsse sofort behandelt werden. Wie sollen wir abrechnen?
Der Hausarzt soll in allen Situationen für den Patienten da sein, darf aber für das Gespräch nicht länger als 20 min brauchen. Wie soll das gehen, wenn der Hausarzt über eine neue schwere Erkrankung (z.B. Krebs) sprechen muss? Soll er sagen «kommen sie morgen wieder!»???
Oder wenn er bei einem Sterbenden ist und mit den Angehörigen sprechen muss, soll er dann auch morgen wiederkommen???
Wie soll mit einem solchen Abrechnungssystem die Hausarzt-Medizin funktionieren? Wer möchte da noch Hausarzt werden? Wie geht es weiter? Wie sollen wir Nachfolger für die Praxis finden?