Offener Brief

Briefe / Mitteilungen
Édition
2018/33
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2018.17022
Bull Med Suisses. 2018;99(33):1060

Publié le 15.08.2018

Offener Brief

Herrn Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus
WHO-Generaldirektor
Sehr geehrter Herr Dr. Ghebreyesus,
sehr geehrter Herr Kollege
Carl Friedrich von Weizsäcker hat 1987 ein Buch veröffentlicht mit dem Titel Die Zeit drängt. Mit diesem Buch schlägt er «eine Weltversammlung der Christen für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung vor». Meines Wissens hatte der Vorschlag von von Weizsäcker keine direkten Folgen. In der Zwischenzeit, d.h. seit ungefähr 30 Jahren, hat sich die Zerstörung des Ökosystems ständig fortgesetzt, und dasselbe scheint einem vollkommenen Zusammenbruch nahe zu sein. Diese Tatsache haben am 2. August 2018 am Schweizer Fernsehen namhafte Gelehrte glaubwürdig erklärt. Nur durch aussergewöhnliche Massnahmen auf globaler Ebene könnte man eine Trendumkehr bewirken und eine Restitution der ursprünglichen Verhältnisse bis zum Jahre 2100. Eine solche Entwicklung darf als unwahrscheinlich angesehen werden, da die notwendige Mobilisierung nicht erwartet werden kann.
Ohne Zweifel werden schon heute lokal und in grösserem Massstab Massnahmen ergriffen, um eine weitere Umweltverschmutzung und Klimaerwärmung zu verhindern. Diese Massnahmen sind aus verschiedenen Gründen ­ineffizient, um den Klimakollaps mit allen seinen Folgen zu verhindern. Mehrere Forscher scheinen sich schon mit einer solchen Entwicklung und der Apokalypse abzufinden. Ich vermute, dass diese Forscher unrecht ­haben und der Kampf für das Fortleben der Natur und des Menschen mit allen Kräften aufgenommen werden muss. Die Einberufung einer Weltversammlung aller Nationen und massgeblichen Politiker z.B. im Rahmen der UNO verspricht kaum etwas. Die Gegensätze und Rivalitäten zwischen den Nationen sind zu gross, als dass von den Politikern eine gültige, brauchbare Lösung erwartet werden könnte. Auf diese Tatsache weist auch Hubert Védrine in seinem vor kurzem erschienenen Buch Comptes à rebours hin.
Welcher Ausweg bietet sich in dieser Situation an: die dringende Einberufung einer Weltkonferenz aller Ärztevertreter weltweit zur Analyse der Situation und die Formulierung von Empfehlungen an die Adresse der politischen Instanzen. Nur die Ärzte können Vorschläge unterbreiten, welche von allen religiö­sen Ideologien frei sind und eine universelle Ethik zum Ausdruck bringen. Die wichtigste Massnahme, zu welcher geraten werden müsste und welche auf starke Widerstände stösst, ist eine strenge Geburtenkontrolle und die Kontrolle des globalen Bevölkerungswachstums. Diese Massnahme wurde schon vor Jahrzehnten als eine kardinale Forderung und moralische Aufgabe von zahlreichen ­Forschern erwähnt, seither aber stark in den Hintergrund verdrängt.
Eine Weltkonferenz der Ärzte könnte in verhältnismässig kurzer Zeit und trotzdem nach gründlicher Vorbereitung einberufen werden. Den Ergebnissen einer solchen Weltkonferenz könnten sich die Politiker, die Religionsgemeinschaften und die Weltöffentlichkeit nicht entziehen.
Ich ersuche Sie, sehr geehrter Herr General­direktor, gemeinsam mit Ihrem Vorstand in Kürze eine solche Weltkonferenz an einem politisch neutralen Ort, z.B. in Genf, einzuberufen.
Empfangen Sie den Ausdruck meiner vollkommenen Hochachtung und meine freundlichen Grüsse