Premio Pusterla Junior 2018

Ein Essaywettbewerb für Medizinethik-Studierende

Tribüne
Édition
2018/2829
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2018.06717
Bull Med Suisses. 2018;99(2829):944

Affiliations
a Prof. Dr., Professorin für Ältere deutsche Literatur, Universität Zürich, Visiting Professor, Indiana University, Bloomington, CEO Bloomlight Productions
b Prof. Dr. med. Dr. phil., Direktorin des Instituts für Biomedizinische Ethik und Medizingeschichte der Universität Zürich und Fellow am Collegium Helveticum

Publié le 10.07.2018

Was ist die Geschichte hinter dem «Premio Pusterla Junior 2018», dem Essay-­Wettbewerb für Medizinstudenten an der Universität Zürich? Hildegard Elisabeth Keller und Nikola Biller-Andorno erzählen, wie es dazu kam.
Wir sind Kolleginnen an der Universität Zürich, die eine an der Philosophischen, die andere an der Medizinischen Fakultät. Die eine träumte schon lange von einem Essay-Wettbewerb für Medizinethik-Studierende, die andere fand die Idee unbedingt unterstützenswert – Brückenschläge zwischen Literatur und Wissenschaft tun not. Wir packten an und entwickelten den Premio Pusterla Junior am Institut für Biomedizinische Ethik und Medizingeschichte der Universität Zürich. 55 Erstsemestrige reichten ihren Text aus dem Kurs «Grundlagen der Ethik in der Medizin» ein, gefragt war die narrative Reflexion einer eigenen Erfahrung von ­medizinethischer Brisanz. Nach Schreib- und Bühnencoaching traten drei Finalistinnen – Gioia Epprecht, Andrina Singelmann und Selina Steiger – am 7. März 2018 in Zürich vor Publikum und Livejury.
Brida von Castelberg, Michael Fehr und Raoul Schrott gelangten nach heisser Diskussion zum salomonischen Patt (jede Finalistin bekam eine Stimme). Umso wichtiger war nun das Publikum im vollgepackten Saal. Sein Votum ging an «Ein Messer, ein Feuer und viele offene Fragen» und machte Selina Steiger zur ersten Preisträgerin des Premio Pusterla Junior. Sie gewann 1000 Franken und den Abdruck ihres Texts im Literarischen Monat sowie der Schweizerischen Ärztezeitung.
Die Jurydebatte, die der Entscheidung voranging, warf grundsätzliche Fragen auf: Was ist ein Essay über­haupt? Wie begriffsscharf, kühl und argumentativ ist die Gattung wirklich? Zielt sie nicht auch auf empa­thische Narration und autobiographische Einfälle? Während Raoul Schrott die Erzählhaltung hinter dem Siegertext hart kritisierte (was Michael Fehr klar konterte, wobei er an den Auftrag zur Ehrlichkeit erinnerte), zweifelte Brida von Castelberg an der Faktizität eines der geschilderten Fälle (musste sich aber eines Besseren belehren lassen). Wir sind sicher, dass Michel de Montaigne auch in Zukunft beim Premio Pusterla zum Rechten sehen wird. Der Schutzpatron der Essayisten dient dem Prinzip des geistreichen Erzählens so unbeirrt wie kein anderer.
biller-andorno[at]ethik.uzh.ch
hildegard.keller[at]access.uzh.ch