Hundeköttel

Horizonte
Édition
2018/23
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2018.06635
Bull Med Suisses. 2018;99(23):781

Affiliations
Dr. med., Mitglied der Redaktion

Publié le 06.06.2018

Berlin war bis zur Wende ein subventionierter Vor­zeigeort, dessen helle Beleuchtung in den dunklen Ostteil ausstrahlte. Anfangs der ruhigen 1960er-Jahre dominierten im Stadtbild die Rentnerinnen mit ihren Hunden. Viele Hunde, die ihr Geschäft verrichteten wo immer es ihnen passte. Ihre Notdurft hat alle geschichtlichen Stürme überstanden. Fegte in den Nullerjahren der Wind durch die Strassen, durfte jeder und jede die weltstädtische Mischung von Strassenstaub und getrockneten Hundeexkrementen inhalieren.
Und das trotz Robidog, der preisgekrönten Erfindung des Schweizers Joseph Rosenast, ab 1982 europaweit patentiert und vertrieben. Allerdings werden die grünen Entsorgungskästen allmählich wieder abgeschafft, sie passen nicht mehr in das gestylte Selbstbild von Bern oder Zürich. Hundehalter sollen ihre Beutel in öffent­lichen Abfalleimern entsorgen, wo sie mit dem normalen Müll verbrannt werden.
Hunde können Parasiten übertragen. Eine Eingabe der frisch gegründeten Elternvereinigung an den Gemeinderat sorgte für rote Köpfe am Stammtisch. Die Mehrheit be­fand die grünen Kästen für unnötig. Sie verschandelten das Ortsbild, die Handhabung der Plastikbeutel sei eine Zumutung und die Gefahr für Menschen masslos hochgespielt. Der Bauer dachte stolz an seinen Bläss, der vielleicht ab und zu einen Wanderer in die Waden biss, gelernt war gelernt. Praxispatienten empfanden das naturgemäss etwas anders. Nur der Mann vom Bauamt sah das etwas differenzierter, was aber in der Runde völlig unterging. Dann kamen die Kästen dennoch, erst an Spielplätzen, dann in allen Quartieren. Ein beliebtes Ziel für Sprayer und Knallkörperattacken.
Der gleiche Landwirt hat später seine Warntafeln auf der Sommerwiese drastisch angeschrieben: «Möchten sie, dass ihr Hund auf ihren Teller scheisst?». Dabei ist umstritten, ob Hundekot die Kühe krank macht. Eher nicht, finden die Experten, das müssten schon sehr gros­se Mengen sein, die getrocknet via Heu in den Magen gelangen. Vorsicht bei Kälbern und in Kitas und Pflegeheimen, doch das ist wiederum eine andere Geschichte
Über eine halbe Million Hunde produzieren in der Schweiz täglich fünfzig Tonnen Exkremente. Unschön, aber weniger gravierend als die nicht abbaubaren Plastik­beutel in der Landschaft. Der gefährliche Fuchsbandwurm ist äus­serst selten. Das Institut für Parasitologie der Universität Zürich bietet ein Screening für Besitzer, die ihre Hunde auf Auslandreisen mitnehmen oder Hunde aus dem Ausland mitbringen. Zum Glück ist der Hundehalter für die wenigsten Importkrankheiten empfänglich.
Die sowjetische Weltraumhündin Laika lebte zu wenig lange, um für sie eigens ein Toilettensystem zu ent­wi­ckeln. Space Poop Challenge, ein Unternehmen der NASA, belohnt ­Lösungen für die optimale Entsorgung menschlicher Ausscheidungen in Raumanzügen. Ein Wettlauf für ­geniale Tüftler, der vielleicht eines Tages unseren Haushunden zu Gute kommt. Vorläufig bleibt es bei den Sternschnuppen der anderen Art.
Noch sind herumliegende Kackhaufen richtige Tretminen. Wer darauf tritt soll sich mit dem Volksmund trösten, denn sie bringen angeblich Glück. Dank britischem Erfindergeist naht die Rettung. Zehn Beutel Hundekacke bringen eine Strassenlampe für zwei Stunden zum Leuchten. Methan aus Poop Power erhellt die Nacht. Mit getrocknetem Kuhmist wärmten einst die Averser Bauern ihre Stuben. Auf Pferdemist gedeihen Champignons. So werden Fäkalien jeglicher Herkunft zu einem kostbaren Rohstoff. Die stolzen Halter von Köttelproduzenten haben eine leuchtende Zukunft vor sich.
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