Albert Einstein ( 1879–1955) zu Immanuel Kant (1724–1804)

Briefe / Mitteilungen
Édition
2017/23
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2017.05728
Bull Med Suisses. 2017;98(23):724–725

Publié le 07.06.2017

Albert Einstein (1879–1955) zu ­Immanuel Kant (1724–1804)

Jann P. Schwarzenbach meint in der SÄZ S. 620–621, 2017: «So gibt Kant den Naturwissenschaften und dem ihnen innewohnenden Wunsch exakter Begründbarkeit ein sicheres notwendig gültiges philosophisches Fundament» und: «So darf die Medizin durchaus auch in ethischer Hinsicht der Philosophie Kants folgen ...»
Zur Bedeutung Kants in den Grundlagen zur Naturwissenschaft mögen wir einen unverdächtigen Naturwissenschaftler hören.
Albert Einstein meint zur Metaphysik Kants [1]: «Das ist die Erbsünde Kants, dass Begriffe und Kategorien, die nicht aus der Erfahrung gewonnen werden können, zum Verständnis dieser Erfahrung notwendig sein sollen. Unbefriedigend bleibt dabei aber immer die Willkür der Auswahl derjenigen Elemente, die man als apriorisch bezeichnet.»
Noch ein Müsterchen von Einstein zu Kant:
Aus dem Nachlass von Prof. Hans Saner: Hinterlassenschaft von Karl Jaspers (geb. 1883). Die Bedeutung Kants für Karl Jaspers ist so zentral, dass man seine Philosophie als eine eigenwillige Exegese der kantischen Kritik begreifen kann. LThK 5,882 G. Rohrmoser in Münster. Einstein: «Wenn ich Jaspers lese, wirkt das auf mich wie die Rede eines Trunkenen; nun, Hegel beurteile ich ebenso. Ich verstehe so etwas nicht. Ich will ihn nicht schlecht machen, aber empfehlen kann ich ihn nicht.» (für Princeton)
1920 erfuhr Einstein die «Toleranz» der kantianischen «Landeskirche» mit den sythetischen Urteilen a priori gegen seine Relativitäts­theorie. Für Nichtkantianer keine Chancen, eine Professur in Berlin zu erhalten.
Die Ethik Kants war die Grundlage der Dis­ziplin des kaiserlichen Offizierscorps im Ersten Weltkrieg. Aus seiner pazifistischen Haltung verzichtete er wegen Militärpflicht auf das deutsche Bürgerrecht. Er bezahlte aber der schweizerischen Botschaft in Berlin bis zu seinem 42. Lebensjahr die Militärpflicht­ersatzsteuer. 1916 gab es in Berlin keine «erlaubte» Diskussion um die Kriegsziele. Nur der Sieg und territoriale Annexionen waren die Parole. Einstein litt unter der weitverbreiteten Haltung der Bevölkerung, der Politik, der Gelehrten und Akademiker. Wo stand Kant’sche Ethik?
Einstein erfuhr die allgemeine Kriegsbegeisterung so: «Ich könnte mir die Menschen nicht vorstellen, wenn ich sie nicht vor mir sähe.»
Dr. med. Jos Bättig, Muttenz