Tarifeingriff: Was ist eigentlich das Ziel?

Briefe / Mitteilungen
Édition
2017/23
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2017.05679
Bull Med Suisses. 2017;98(23):724

Publié le 07.06.2017

Tarifeingriff: Was ist eigentlich
das Ziel?

Offener Brief
Sehr geehrter Herr Bundesrat Berset
Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesamts für Gesundheit
Gemäss Darstellung des AHV-pflichtigen Einkommens aus der «freien Praxis» 2009 ([1], letzte Publikation, weil diese Zahlen nicht von öffentlichem Interesse seien) sehen die Einkommensverhältnisse in der Allgemeinmedizin und der Psychiatrie wie folgt aus:
– Allgemeinpraktiker: CHF 197 500 (Median)
– Psychiatrie und Psychotherapie: CHF 130 100 (Median)
Die Allgemeinpraktiker haben schon damals 52,8% mehr als Psychiaterinnen und Psych­iater verdient, dies bevor sie vom Bundesrat ­zusätzlich jährlich 200 Mio. zugesprochen ­bekommen haben. Von diesen krassen Einkommensunterschieden war in den Medien nie etwas zu hören.
Gemäss Factsheet des psychiatrischen Dachverbandes FMPP vom 2. April 2017 [2] ­haben Psychiaterinnen und Psychiater in Zukunft mit einer Absenkung ihres Einkommens von 4,8% zu rechnen. Versteht der Bundesrat darunter Nachwuchsförderung?
Gemäss verschiedenen Angaben des Bundes ist in Zukunft mit eine Zunahme von psychischen Erkrankungen zu rechnen. Gemäss ­einer Studie der Chefärzte der psychiatrischen Kliniken, die in der Schweizerischen Ärztezeitung (SÄZ) publiziert worden ist, werden in der Psychiatrie in wenigen Jahren 1000 Psychiaterinnen und Psychiater fehlen.
Der Ärztemangel in der Psychiatrie ist wesentlich grösser als in der Allgemeinmedizin. In den psychiatrischen Kliniken gibt es heute nur noch wenige Ärzte, die Deutsch verstehen und schreiben können.
Was ist eigentlich das Ziel des Bundesrates und des Bundesamts für Gesundheit (BAG)? Wollen sie den Facharzttitel Psychiatrie und Psychotherapie abschaffen, damit die Hausärzte Psychopharmaka verschreiben und Psychologinnen und Psychologen zu billigen Löhnen Psychotherapien machen?
Mit freundlichen Grüssen