Die Reduktion der Arbeitszeiten ist eine Notwendigkeit

Briefe an die Redaktion
Édition
2023/07
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2023.21540
Bull Med Suisses. 2023;104(07):20

Publié le 15.02.2023

Die Reduktion der Arbeitszeiten ist eine Notwendigkeit

Zunächst einmal freut es mich zu lesen, dass es Herrn Fey nicht geschadet hat, zeit seines Lebens «60 bis 80 Stunden pro Woche» gearbeitet zu haben. Offensichtlich ist es ihm gelungen, trotz dieses hohen Pensums ein erfülltes und glückliches Privatleben zu führen. Die Zeiten haben sich aber geändert. Es ging mir in meinem Beitrag nicht einfach darum, mehr Zeit für die «eigenen Bedürfnisse» der Ärzteschaft zu fordern. Nein, ich wollte zum Ausdruck bringen, dass ein Umdenken unabdingbar ist. Die heutige Generation lebt nicht mehr das Einverdiener-Modell, das in der Schweiz lange üblich war. Der neue Standard ist, dass in einer Partnerschaft oder Familie beide Partnerinnen respektive Partner berufstätig sind. Allfällige Kinderbetreuungsaufgaben wollen, sollen und müssen entsprechend geteilt werden. Mit einer 80-Stunden-Woche ist ein partnerschaftliches, gleichberechtigtes und glückliches Familienleben nicht möglich.
Laut einer 2021 publizierten Analyse des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums (Obsan) geben etwa jede dritte Ärztin und jeder dritte Arzt ihren Beruf auf – Tendenz steigend. Die meisten davon sind Assistenzärztinnen und -ärzte. Eigentlich lieben sie ihren Beruf, aber die Arbeitsbedingungen sind einfach zu schlecht. Die Verbesserung der Situation ist deshalb schlicht eine Notwendigkeit, wenn wir auch in Zukunft genügend Ärztinnen haben wollen, die den wachsenden Bedarf in der Schweiz decken können.
Abgesehen davon: Ärztinnen und Ärzte müssen viel zu oft administrative Tätigkeiten verrichten, die auch von nichtärztlichen Berufsleuten erledigt werden können. Die Arbeitszeiten könnten also nur schon durch Effizienzsteigerungen verringert werden, ohne dass die Qualität der Weiterbildung oder die Patientinnen und Patienten darunter leiden.
Angelo Barrile, Präsident Verband Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte (vsao), Zürich