In memoriam Albert Hollinger

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Édition
2022/35
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2022.20991
Bull Med Suisses. 2022;103(35):1083

Publié le 30.08.2022

Am 23. Juli ist Professor Dr. med. Albert Hollinger in seinem 79. Lebensjahr verstorben, nachdem er den langen Kampf gegen seine heimtückische Krankheit aufgeben musste. Mit ihm verliert seine Familie ein fürsorg­liches Familienoberhaupt und wir einen guten Freund und hervorragenden Chirurgen.
Prof. Albert Hollinger (Foto: Spital Männedorf AG).
Während des Medizinstudiums in Zürich und Lausanne pflegte Albert Hollinger die Geselligkeit bei der Verbindung der Singstudenten, welcher er bis zum Schluss treu blieb. Mit dem Staatsexamen war für ihn klar, dass er eine chirurgische Laufbahn einschlagen wollte. Nach gut einem Jahr im damaligen Neumünster-Spital wechselte er ins Kantonsspital Zürich, wo er unter Professor Ake Senning, einem der zu seiner Zeit weltweit bedeutendsten Chirurgen, zu einem überaus kompetitiven und innovativen Team stiess. Er erhielt eine gründliche viszerale, aber auch thorax­chirurgische Ausbildung und wurde zu einem wichtigen Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe von Professor ­Felix Largiadèr, einem der führenden Transplanta­tionschirurgen Europas. Komplementiert wurde seine Ausbildung bei Professor Hans Ulrich Buff in der Traumatologie. Nach einem Auslandaufenthalt in Marburg beim damaligen Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, Professor Horst Hamelmann, wurde Hollinger schon 1976 Oberarzt und unterstützte 1985 Professor Largiadèr tatkräftig bei der Organisation des Departements Chirurgie am neuen Universitätsspital Zürich.
Auch akademisch profilierte er sich erfolgreich und habilitierte 1982 mit einer Arbeit über die selbst erarbeitete Bohrbiopsie von Mammatumoren. Das ausgewählte Thema zeigt, dass zu dieser Zeit noch eine breite all­gemeinchirurgische Ausbildung möglich war, bevor diese durch die Entwicklung hin zur hochspezialisierten Chirurgie abgelöst wurde. In der Folge widmete sich ­Albert Hollinger vermehrt der Lehre: Über viele Jahre dozierte er am Zentrum für Zahnmedizin und brachte unzähligen Studierenden die Grundzüge des chirurgischen Denkens bei. Zudem war er ein wohlwollender Prüfungsexperte.
Mit dieser stolzen Qualifikation war es nur folgerichtig, dass er 1987 zum Chefarzt der Chirurgischen Klinik am Spital Männedorf gewählt wurde, an der er 22 Jahre Chefarzt war. Er führte den guten Ruf der Klinik weiter und machte das Spital weit über die Region hinaus bekannt; dazu trug seine Ernennung zum Professor 1993 bei. Die Patientinnen und Patienten hatten an ihm einen Vertrauen erweckenden, verständnisvollen und engagierten Arzt und einen manuell äusserst geschickten, souveränen Chirurgen, der auch in brenzligen Situationen nicht die Übersicht verlor. Er strebte keine spektakulären Operationen an, sondern sein oberstes Ziel war immer das Wohl der Patientinnen und Pa­tienten. Er führte sichere, auf die Patientinnen und ­Patienten zugeschnittene und erfolgreiche Eingriffe durch. Auch war er eine vorbildliche Führungsperson und setzte als starker Chef klare und konsequente Vorgaben. Sein Stil war geprägt durch Respekt, Einfühlsamkeit und die Gabe, in schwierigen Situationen die richtigen Worte zu finden. Die Mitarbeitenden schätzten ihn ­wegen seiner Menschlichkeit, seiner Bescheidenheit, ­seinem Charme und seinem Witz.
Diesen aussergewöhnlichen Einsatz für Patientinnen und Patienten sowie für das Spital ermöglichte ihm die starke Ehefrau an seiner Seite, die auch zu der grossen Familie schaute.
Der Persönlichkeit von Professor Hollinger wird man aber nur gerecht, wenn man auch seine weiteren, vielseitigen Interessen erwähnt. Zusammen mit seiner Frau genoss er das Opernabonnement und fand Entspannung beim geliebten Klavierspielen. Zudem begeisterten sich beide fürs Segeln mit Regatten und Törns auf vielen Gewässern, für intensive Velounternehmungen – so einmal von der französischen Atlantikküste zurück in die Schweiz – und für Bergtouren im Sommer und Winter: Davon profitierte auch das Spital, da Professor Hollinger hier einen Skitag einführte, der heute noch die bereichsübergreifende Kultur der internen Zusammenarbeit versinnbildlicht.
Gerne hätte Albert Hollinger dieses überaus reiche ­Leben noch weiter gekostet und mit Familie und Enkelkindern schöne Stunden verbracht; die Krankheit setzte dem aber ein herbes Ende.
Alle, die ihn kannten – Familie und Freunde, seine ­unzähligen ehemaligen Patientinnen und Patienten sowie seine Mitarbeitenden – werden ihn als wahren Gentleman in bester Erinnerung behalten.
Dr. med. Andreas Vollenweider, ehem. Chefarzt Chirurgie, Spital Männedorf AG
Dr. med. Stefan Metzker, CEO Spital Männedorf AG
s.metzker[at]spitalmaennedorf.ch