Auswirkungen der neuen Zulassungsbeschränkung

Nachfolgeplanung für Ärztinnen und Ärzte

Tribüne
Édition
2022/13
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2022.20617
Bull Med Suisses. 2022;103(13):448-451

Affiliations
a Partner, Rechtsanwalt bei Bär & Karrer AG im Bereich Unternehmenskäufe (mit besonderem Schwerpunkt auf Transaktionen im Bereich Life Science und Health Care); b Partner, Rechtsanwalt bei Bär & Karrer AG (Co-Leiter der Life Sciences Praxisgruppe); c Rechtsanwalt bei Bär & Karrer AG im Bereich Unternehmenskäufe; d Rechtsanwältin bei Bär & Karrer AG im Bereich Unternehmenskäufe

Publié le 29.03.2022

Seit dem 1. Juli 2021 gelten neue Zulassungsbeschränkungen für angestellte Ärz­tinnen und Ärzte. Die Kantone haben bis 2023 Zeit für die Umsetzung. Der Kanton Basel-Stadt hat bereits eine Verordnung ausgearbeitet, die beispielhaft zeigt, wie die Zulassung zukünftig funktionieren könnte und wie sie sich auf die Nachfolgeplanung auswirkt.
Am 1. Juli 2021 trat der revidierte Art. 55a des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG) [1] in Kraft, welcher nun von den Kantonen umgesetzt wird. Die Kantone haben bis zum 1. Juli 2023 Zeit, ihre Regelungen anzupassen. Im revidierten Artikel wird unter ­anderem eine Zulassungsbeschränkung zur Tätigkeit zulasten der Obligatorischen Kranken- und Pflegever­sicherung (OKP) vorgesehen, indem Höchstzahlen eingeführt werden. Die Festlegung der Höchstzahlen liegt in den Händen der Kantone, wobei der Bundesrat die Kriterien und methodischen Vorgaben erlässt [2]. Ferner traten am 1. Januar 2022 die Änderungen der Zulassungsvoraussetzungen gem. Art. 35 ff. KVG sowie Art. 38 ff. der Verordnung über die Krankenversicherung (KVV) [3] in Kraft.

Was sich ändert

Im Gegensatz zum alten Art. 55a aKVG entfällt die Ausnahme der Zulassungsbeschränkung für Ärztinnen und Ärzte, welche während drei Jahren an einer anerkannten schweizerischen Weiterbildungsstätte tätig waren: Neu sind alle ärztlichen Fachpersonen, die im ambulanten Bereich tätig sind, von der Zulassungs­beschränkung erfasst. Allerdings gilt gemäss Art. 55a Abs. 5 KVG ein sogenannter Besitzstand zugunsten derjenigen Fachpersonen, die im Zeitpunkt der Gesetzesänderung bereits zur Tätigkeit zulasten der OKP zugelassen waren. Das Gesetz unterscheidet zwischen selbstständigen Ärztinnen und Ärzten [4] und solchen, die bei einer Einrichtung gem. Art. 35 Abs. 2 lit. N KVG angestellt sind. Im zweiten Falle ist nicht die Ärztin resp. der Arzt, sondern vielmehr die Einrichtung als Leistungserbringer zu betrachten. Diese kann auch als juristische Person organisiert sein [5].
Das bedeutet, dass selbstständige Ärztinnen und Ärzte, welche bereits über eine Zulassung zur Tätigkeit zu­lasten der OKP verfügen, trotz allfälliger Zulassungsbeschränkungen (bzw. Überschreitung von Höchstzahlen) weiterhin selbstständig zulasten der OKP tätig bleiben dürfen [6]. Sodann sind solche in Anstellung, die in einer Einrichtung gem. Art. 35 Abs. 2 lit. a KVG ­tätig sind, in ihrer Tätigkeit zulasten der OPK geschützt [7]. Dieser Schutz gilt aber nur begrenzt: Sobald die ­angestellte Ärztin oder der angestellte Arzt aus der bestehenden Einrichtung (d.h. Arbeitgeberin) ausscheidet, verliert sie oder er die persönliche Zulassung. Die Gründe für das Ausscheiden spielen hierbei keine Rolle.

Kantonale Umsetzung Basel-Stadt

Die Verordnung über die Zulassung von Leistungs­erbringern im ambulanten Bereich Basel-Stadt (BS) soll am 1. April 2022 in Kraft treten. Künftig wird ein formelles Zulassungsverfahren vorge­sehen. Gesuche um Zulassung müssen beim Gesundheitsdepartement des Kantons eingereicht werden. Gesuchsteller ist der jeweilige Leistungserbringer, welcher je nach Organisation der Arztpraxis die Ärztin oder der Arzt selbst oder die Einrichtung sein kann [2].
Für die Zulassung müssen einerseits die Voraussetzungen von Art. 35 ff. KVG erfüllt sein, welche die Ausbildung, sprachliche Kenntnis sowie die Führung eines elektronischen Patientendossiers umfassen. Andererseits bedarf es in Fachgebieten mit einer Obergrenze freier Kapazität [8]. Die Bearbeitung der Gesuche erfolgt chronologisch. § 4 Abs. 1 Zulassungs-Verordnung sieht eine Ausnahmeregelung für «Praxisübernahmen» vor, wonach eine Übernahme innerhalb von drei ­Monaten seit Aufgabe der Praxistätigkeit innerhalb derselben Gemeinde vom ordentlichen Zulassungsverfahren ausgenommen wird.
In § 4 Abs. 4 des Entwurfs der Zulassungs-Verordnung BS wird der Besitzstand von Art. 55a Abs. 5 KVG im kantonalen Recht aufgegriffen. Aus der Erläuterung zum Entwurf der Zulassungs-Verordnung BS geht hervor, dass die Zulassung entweder an die ambulante Einrichtung, an das Spital oder an die selbstständig tätige (nicht angestellte) ärztliche Fachperson gebunden werden soll. Dadurch soll bei einem Wechsel der angestellten Ärztinnen und Ärzte von einer zur anderen Einrichtung die Versorgung der Patientinnen und Pa­tienten bei ersterer gewährleistet bleiben, indem diese die freigewordene Arbeitsstelle wieder neu besetzen kann (die Zulassung bleibt vereinfacht gesprochen bei der Einrichtung und geht nicht mit der angestellten Person mit) [9]. Der Begriff «Einrichtung» ist deckungsgleich mit demjenigen gemäss Art. 35 Abs. 2 lit. n KVG. Das Gleiche gilt beim Spital bzw. der selbstständigen Ärztin, dem selbstständigen Arzt.

Vorbereitung der Nachfolge

Entschliesst sich eine Ärztin resp. ein Arzt oder eine Arztpraxis, das Geschäft zusammen mit dem gewonnenen Kundenstamm auf einen oder mehrere Ärztinnen und Ärzte zu übertragen, so wird die Übergabe üblicherweise mit einer Einarbeitungszeit von mehreren Monaten bis zu Jahren verbunden. Einerseits gewährleistet dies eine nahtlose Übergabe der Patientinnen und Patienten an die behandelnde Fachperson (wobei die Übertragung der Patientendossiers ohnehin nur mit der Zustimmung der Betroffenen erfolgen kann) und andererseits haben dadurch beide Parteien eine gewisse «Probezeit».
Diese Vorgehensweise wird in Zukunft nur beschränkt möglich sein. Potentielle Nachfolgerinnen und Nachfolger ohne formelle Zulassung (diese ist ja im Falle ­eines Wechsels bei der Einrichtung geblieben) können erst zulasten der OKP tätig werden, nachdem ihnen die Praxis bzw. deren entsprechende Zulassung überlassen wurde, wie bereits in Bezug auf die Ausnahme bei «Praxisübernahme» erwähnt wurde.
Jedoch sollte unseres Erachtens die Aufteilung einer bestehenden Zulassung auf mehrere angestellte Per­sonen möglich sein, womit diesem Problem entgegengewirkt werden könnte: Das würde bedeuten, dass die ausscheidende Person die potentielle Nachfolgerin oder den potentiellen Nachfolger bereits anstellen und von der eigenen Zulassung profitieren lassen kann, ­wobei die beiden Personen gemeinsam ein 100%-Pensum nicht überschreiten dürfen (das 100%-Pensum der Zulassung wird sozusagen auf zwei oder mehrere Ärztinnen und Ärzte aufgeteilt).
Gleichzeitig verliert eine selbstständige Ärztin, ein selbstständiger Arzt die bereits bestehende Zu­lassung an die Arztpraxis, sobald sie oder er sich bei dieser anstellen lässt: Die ärztliche Fachperson, die aufgrund ihrer selbstständigen Erwerbstätigkeit bereits eine Zulassung hat, sollte demnach während ­einer Übergangszeit bloss auf Mandatsbasis für die ausscheidende Person tätig sein, ansonsten sie ihre Zulassung an die Arztpraxis verliert; falls die Übergabe – aus welchen Gründen auch immer – nicht klappen sollte, wäre dies für die Ärztin resp. den Arzt fatal.
Zukünftig kann es sinnvoll sein, auf Mandatsbasis für die eigene Arztpraxis zu arbeiten, um die Zulassung bei einem Stellenwechsel nicht zu verlieren.

Änderung der Eigentumsverhältnisse

Vermögensübertragung: «Asset Deal»

Bei einer Vermögensübertragung, einem sogenannten Asset Deal, überträgt ein Unternehmen – sei es eine juristische Person oder ein Einzelunternehmen – Teile oder die Gesamtheit des Vermögens auf eine ­andere Person. Dadurch können unter anderem Arbeitsverhältnisse übertragen werden, wodurch der Arbeitnehmer die Einrichtung gem. Art. 35 Abs. 2 lit. n KVG wechselt und somit nicht mehr durch den Besitzstand gem. Art. 55a Abs. 5 KVG geschützt ist (die Zulassung bleibt wie erwähnt bei der Einrichtung). In der Folge ist davon auszugehen, dass durch die Übertragung die Zulassungen der angestellten ärztlichen Fachpersonen grundsätzlich untergehen, unabhängig davon, ob die übertragende Partei eine Ärztin resp. ein Arzt als Einzelunternehmen oder eine Arztpraxis AG war.
Vor diesem Hintergrund dürfte der Basler Gesetzgeber § 4 Abs. 1 Zulassungs-Verordnung vorgesehen haben, der eine Ausnahme für «Praxisübernahmen» innert drei Monaten seit Aufgabe der Praxistätigkeit innerhalb derselben Gemeinde vorsieht. Diese Ausnahme­regelung ermöglicht den Verkauf bzw. die Übertragung einer Arztpraxis samt gleichzeitiger Übertragung der Zulassung von der bestehenden auf die übernehmende ärztliche Fachperson (die Zulassung geht diesfalls also nicht unter und es muss keine neue Zulassung von der übernehmenden Person beantragt werden).
Der Begriff der «Praxisübernahme» ist in juristischer Hinsicht untechnisch. Legt man ihn weit aus, könnten dadurch sämtliche Formen von Unternehmenstransaktionen erfasst sein (Share Deals, Asset Deals und Fu­sionen). Der Wortlaut und die Logik der Bestimmung scheint in erster Linie auf die Übernahme eines Einzelunternehmens nach Beendigung der Tätigkeit einer selbstständigen Person abzuzielen. In den Erläuterungen zur Zulassungs-Verordnung BS wird jedoch festgehalten, dass die Regelung «grundsätzlich nicht an eine Rechtsform gebunden» ist. Unserer Meinung nach muss diese Regelung auch für den Verkauf von Ver­mögenswerten einer Arztpraxis AG gelten.
Unter Einhaltung von § 4 Abs. 1 Zulassungs-Verordnung geht somit die Zulassung der Ärztin resp. des Arztes auf die übernehmende Partei über. Unklar ist, ob nach § 4 Abs. 1 Zulassungs-Verordnung auch blosse Praxisteile und somit bloss einzelne Arbeitsverhältnisse auf eine andere Einrichtung übertragen werden können. Nach unserem Dafürhalten sollte das möglich sein (z.B. falls die freiwerdende Zulassung nicht weitergegeben werden kann).

Aktienkauf: «Share Deal»

Bei einem Verkauf der Aktien (sog. Share Deal) wird das Unternehmen als solches unberührt gelassen. Änderungen betreffen lediglich die Eigentümerstruktur. Das Verhältnis zwischen Arztpraxis AG und Ärztin oder Arzt als Arbeitnehmende bleibt unverändert. Folglich ist die angestellte Person bzw. die juristische Person aufgrund von § 4 Abs. 4 Zulassungs-Verordnung bzw. Art. 55a Abs. 5 lit. b KVG vor einem Entzug der Zulassung geschützt. Der Verkauf von Aktien in einer Arztpraxis AG muss somit auch nach Inkrafttreten der Zulassungs-Verordnung BS ohne Verlust der Zulassung möglich sein. Die Arztpraxis AG hat dadurch bei der Nachfolgeplanung gegenüber dem Einzelunternehmen aus unternehmerischer Sicht deutliche Vorteile. Dies dürfte sich in Zukunft auch bei der Bewertung zeigen.
Aus Sicht der Ärztin resp. des Arztes ist jedoch Folgendes zu beachten: Es kann grundsätzlich aus steuerrechtlichen oder auch unternehmerischen Gründen sinnvoll sein, eine Arztpraxis zu gründen und sich selbst bei dieser anzustellen. Aufgrund des neuen Re­gimes geht dadurch jedoch, wie bereits erwähnt, die Zulassung auf die Arztpraxis über. Die angestellte ärztliche Fachperson wird somit die eigene Praxis AG als Arbeitnehmende nicht mehr verlassen können, ohne gleichzeitig die Zulassung zu verlieren (die Zulassung bleibt bei der Einrichtung). Dies ist insbesondere für Personen relevant, die nach einem Verkauf der eigenen Arztpraxis AG zumindest noch teilweise selbstständig tätig sein wollen.

Zulassung behalten

Um die Zulassung nicht zu verlieren, bieten sich in ­Zukunft wohl zwei Möglichkeiten: Erstens kann die ­betroffene Person versuchen, eine zweite Zulassung als selbstständige Ärztin resp. selbstständiger Arzt zu erlangen. Ob dies in Zukunft noch möglich sein wird bzw. zu welchem Pensum eine solche Zulassung (die mög­licherweise nur sehr beschränkt verwendet wird) zur Tätigkeit zulasten der OPK berechtigen würde, ist ­jedoch offen. Zweitens könnte die Person lediglich auf Mandatsbasis für die eigene Arztpraxis AG tätig sein. Dadurch verbleibt die Zulassung bei der Ärztin resp. dem Arzt. Diese oder dieser kann somit auch nach Verkauf der Aktien der Arztpraxis AG diese verlassen, ohne die Zulassung zu verlieren. Problematisch an dieser Lösung ist, dass die Aktien der Arztpraxis AG potentiell nicht mehr als im Privatvermögen, sondern im Geschäftsvermögen gelten (aufgrund selbstständiger Erwerbstätigkeit) und diesfalls kein steuerfreier Ka­pitalgewinn beim Verkauf der Arztpraxis AG mehr möglich wäre.

Fazit und Ausblick

Mit den neuen KVG-Bestimmungen werden die Kantone verpflichtet, eine Zulassungsbeschränkung ­einzuführen, welche schwerwiegende Folgen für die davon betroffenen Leistungserbringer nach sich ­ziehen kann. Die optimale Lösung ist im Einzelfall zu ­prüfen.
Basel-Stadt ist einer der ersten Kantone, welcher die neuen KVG-Bestimmungen bereits im kantonalen Recht umgesetzt hat. Wann die Umsetzung in anderen Kantonen erfolgen wird, lässt sich aktuell nur schwer abschätzen. Zu erwarten ist aber, dass die Vollzugs­verordnungen – wie im Kanton Basel-Stadt – ohne Vorankündigung und womöglich rückwirkend in Kraft treten werden.

Das Wichtigste in Kürze

• Am 1. Juli 2021 trat der revidierte Art. 55a des Bundesge­setzes über die Krankenversicherung (KVG) in Kraft. Die Kantone müssen diesen nun umsetzen.
• Neu entfällt die Ausnahme der Zulassungsbeschränkung für ärzt­liche Fachpersonen, welche während drei Jahren an einer anerkannten schweizerischen Weiterbildungsstätte ­tätig ­waren.
• Als zentrale Änderung sollen angestellte Ärztinnen und Ärzte ihre Zulassung verlieren, wenn sie nicht länger angestellt sind; die Zulassung verbleibt beim Arbeitgeber.
• Die neuen Regelungen haben Folgen für die Nachfolgeplanung: Aus Sicht der Autorinnen und Autoren ist die Gründung einer Praxis AG die bevorzugte Lösung. Schwierigkeiten stellen sich, wenn die ärztliche Fachperson nach Verkauf der Praxis AG weiterhin selbstständig tätig sein möchte.

L’essentiel en bref

• Le 1er juillet 2021, l‘article 55a révisé de la Loi fédérale sur l‘assurance-maladie (LAMal) est entré en vigueur. Les cantons doivent maintenant le mettre en œuvre.
• Il n’y a plus d‘exception à la limitation d’admission pour les médecins qui ont travaillé pendant trois ans dans un établissement de formation postgraduée suisse reconnu.
• Un changement central est que les médecins perdent leur droit d’admission lorsqu’ils ne sont plus employés; l‘admission revient à l’institution de soins.
• Les nouvelles réglementations se répercutent sur la planification de la succession : d’après les auteurs, la création d‘un cabinet médical sous forme de société anonyme (SA) est la solution privilégiée. Des difficultés surgissent lorsque le médecin souhaite continuer à exercer en tant qu‘indépendant après la vente du cabinet SA.
redaktion.saez[at]emh.ch
1 Bundesgesetz über die Krankenversicherung (SR 832.10).
2 Verordnung über die Festlegung der Höchstzahlen für Ärztinnen und Ärzte im ambulanten Bereich vom 23. Juni 2021 (SR 832.107).
3 Verordnung über die Krankenversicherung (SR 832.102).
4 Art. 35 Abs. 2 lit. a KVG.
5 BGE 135 V 237 E. 4.4f
6 Art. 55a Abs. 5 lit. a KVG.
7 BBL 2018, S. 2158 f.; Art. 55a Abs. 5 lit. b KVG.
8 Erläuterungen zum Entwurf der Verordnung über die Zulassung von Leistungserbringern im ambulanten Bereich, Liestal / Basel, 15. Dezember 2021, S. 5.
9 Erläuterungen zum Entwurf der Verordnung über die Zulassung von Leistungserbringern im ambulanten Bereich, Liestal / Basel, 15. Dezember 2021, S. 15.