Critiques de livres

Horizonte
Édition
2022/13
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2022.20567
Bull Med Suisses. 2022;103(13):456-457

Publié le 29.03.2022

Vivre avec nos morts
Delphine Horvilleur
Paris: Grasset; 2021
Traduction allemande: Mit den Toten leben. Berlin: Hanser; 2022
Ouvrage spécialisé
Delphine Horvilleur (1974) a commencé des études de médecine puis est devenue une rabbine libérale. Elle publie un livre sur l’accompagnement des personnes en fin de vie et de leurs proches. L’écrivaine française y conte une douzaine d’histoires, décrivant son expérience tout en y ajoutant les réflexions de penseurs juifs: «Mon rôle est d’accompagner les endeuillés, non pas pour leur apprendre quelque chose qu’ils ne savaient déjà mais pour leur traduire ce qu’ils vous ont dit.»
Elle évoque la question des enfants et petits-­enfants de personnes disparues durant la Shoah: «Ces enfants ‘nés après’ sont devenus les parents de leurs parents. Souvent, ils cherchent à les réparer [...] Ce syndrome de l’enfant-messie est décuplé dans les familles traumatisées.»
Même en étant quotidiennement confrontée à la mort, la rabbine soutient qu’il n’est pas possible de s’y habituer: «Accompagner la mort des autres ne m’a pas immunisée contre l’appréhension de la croiser. Je me méfie de tous ceux qui disent qu’il existerait une méthode imparable pour l’accepter.» La mort d’un enfant, un événement particulièrement tragique: «Elle vous condamne à l’exil sur une terre que personne ne peut visiter, à part ceux à qui il est arrivé la même chose.»
J’ai été particulièrement touché par les deux derniers chapitres. L’un, poignant, sur sa ­participation à la grande manifestation, en novembre 1995, où le premier ministre Itshak Rabin a lancé des appels forts à la paix, quelques minutes avant d’être assassiné par un fanatique. Et celui où elle se rend dans le village alsacien d’origine de sa famille, West­hoffen, après que son cimetière a été profané en 2019.
Aussergewöhnliche Facetten der Sexualität
Psychologische, gesellschaftliche und kulturelle Phänomene
Thomas Haenel
Berlin: Frank & Timme; 2021
Sachbuch
Viele reden über Sex, wenige über Sexualität. Diese Spracharmut im Unerregten, ­­­die selbst Fachleute befällt, sobald es «ernst» wird, scheint besonders ausgeprägt, wenn ­­­­­­­­­­es um «aussergewöhnliche Facetten der Sexua­lität» geht. Das neuste Buch von Thomas Haenel setzt hier ein gelungenes Gegen­beispiel!
Das 157 Seiten umfassende Werk spannt einen weiten Bogen. Haenel schreibt u.a. über aktuelle Themen, wie z.B. «häusliche Gewalt» oder «Kirchen und Sexualität». Er beschreibt transkulturelle Phänomene wie z.B. «Koro», das Syndrom der genitalen Retraktion, oder das «Couvade-Syndrom», die symptomatische «Schwangerschaft» des Vaters. Er erläutert den Einfluss von Antidepressiva auf die Se­xualität und macht auch keinen Bogen um so heikle Themen wie «sexuelle Übergriffe von Therapeuten» oder «moderne Sklaverei» in der Prostitution. Dabei ist sein Blick stets sachverständig, nie voyeuristisch. Seine Wortwahl besticht durch Eloquenz und ­Behutsamkeit.
Diese Neuerscheinung ist kein Nachschlagewerk. Es ist ein fachlich anspruchsvolles Lesebuch. Dem Autor gelingt es, unterschiedliche «psychologische, gesellschaftliche und kulturelle Phänomene» der Sexualität zu einem leseleichten Ganzen zu vereinen. Er verbindet thematische Breite mit inhaltlicher Tiefe, wobei nicht alle Facetten der Sexualität thematisiert werden. Diejenigen jedoch, die der Autor auswählt, werden sachkundig und detailliert dargestellt. Die richtigen Worte zu finden, das ist die Kunst von Thomas Haenel.
Wie man wird, was man ist
Memoiren eines Psychotherapeuten
Irvin D. Yalom
München: btb; 2020
Autobio­graphie
Das laut eigener Aussage letzte, überwiegend autobiographische Werk – ein Taschenbuch im Miniformat – des wohl bekanntesten Romanautors der psychotherapeutischen Szene und Herausgebers des Standardwerkes zur Gruppentherapie seit 40 Jahren resümiert seinen Werdegang als Einwanderer einer jüdisch-russischen Familie nach Amerika. Irvin D. Yalom blickt jenseits der 85 auf seinen ­Lebensstrang zurück (eine von ihm oft angewandte Technik), lässt an der Entstehungsgeschichte seiner Romane teilhaben, nimmt auf seine Reisen während mehrerer Sabbaticals mit und beschreibt seine philosophische Anbindung vor allem in Griechenland, wo er vor vollen Sälen spricht.
Seine besten Freunde und einige Berühmtheiten aus dem Kollegenkreis kommen zu Wort. Die Kämpfe der 60er Jahre mit Studenten­revolten, Menschenrechts- und Frauenfragen bilden den Hintergrund sowie seine lebenslange Beziehung zu seiner ebenfalls akademisch ­erfolgreichen Ehefrau. Darüber berichtet auch der Dokumentarfilm Yalom’s Cure (deutsch: Yaloms Anleitung zum Glücklichsein) von 2014, für den Menschen vieler Länder bis auf die Strasse anstanden.
Nicht zu kurz kommt im Buch seine Arbeit mit Krebspatientinnen und -patienten, Reflexionen über den Tod und die eigene Betroffenheit am Ende des Lebens, die ihn selbst am meisten überrascht. Die Freude, das Innen­leben dieses Mannes anhand vieler nicht zuletzt privater Fotos und grosser Offenheit noch besser kennenzulernen, begleitet das Lesevergnügen.
Wound Healing, Fibrosis, and the Myofibroblast
A Historical and Biological Perspective
Giulio Gabbiani, Matteo Coen, Fabio Zampieri
San Diego: Elsevier; 2021
Sachbuch
Die kleine Fibel umfasst gerade mal 100 Seiten und stellt damit ein ebenso kompaktes wie gelungenes Resultat der Zusammenarbeit eines Historikers, eines Mediziners und eines Forschers dar. In insgesamt fünf Kapiteln spannen sie den Bogen vom historischen Verlauf der Wissensentwicklung bis hin zu neusten Forschungsergebnissen. Die Kapitel geben Einblick in die Themen Fibrose und zelluläre Grundlage von fibrotischem Gewebe, Wundheilung, klinisch relevante Pathologien mit ­Fibroseentwicklung, Zellbiologie der Myofibro­blasten und schliesslich eine wissenschaftliche Zusammenfassung des Forschungsschwerpunkts der Pathologie an der Universität Genf. Fachkundig eingearbeitete historische Abbildungen aus wissenschaftlichen und künstlerischen Werken machen dieses Buch auch graphisch äusserst ansprechend.
Persönlich faszinieren mich medizinhisto­rische Rückblicke, speziell wenn sie in Bezug gesetzt werden zur modernen Medizin. Während die wissenschaftlichen Grundlagen schon Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte bekannt sind – und teilweise auch wieder vergessen gehen –, werden unter der akademischen Lupe immer wieder neue Aspekte dazu sichtbar. Dabei ist interessant festzustellen, dass wir auch im Zeitalter des exponentiellen Datenwachstums häufig auf einen alten stabilen Wissenskern zurückgreifen können. Diese ­Fibel stellt in dieser Hinsicht eine attraktive Übersicht zur Wundheilung und Fibrose dar und lässt sich durchaus für verschiedene Fachrichtungen sehr zur Lektüre empfehlen.