Verkürzung der medizinischen Bildungszeit

Briefe / Mitteilungen
Édition
2021/36
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2021.20132
Bull Med Suisses. 2021;102(36):1170

Publié le 08.09.2021

Verkürzung der medizinischen Bildungszeit

Prof. Johann Steurer macht Vorschläge zur Verkürzung der medizinischen Aus- und ­Weiterbildung. Wie auch immer man diese Phasen verkürzen möchte, ein wesentliches Bildungselement würde darunter leiden, die klinische Beobachtung. Dies geschah schon durch die amtliche Limitierung der Arbeitszeiten und der damit verbundenen Ver­kürzung und Vermehrung der Schichten und Stellen. Die Verkürzung der Aufenthaltsdauer bzw. Verlagerung von Behandlungen ins ­Ambulatorium im Zuge der medizinischen Marktwirtschaft führt zu weiteren Einschränkungen der Beobachtungsgelegenheit. Wenn nun von akademischer Seite eine Verkürzung der Aus- und Weiterbildung gefordert wird, würde diese Zeit nochmals verkürzt; es bedeutete auch eine weitere Episode im Trauerspiel «Weg vom Krankenbett». Vielleicht sind es gerade die feinen und frühen Zeichen, die wir bei Kranken im Verlaufe des Spitalaufenthaltes visuell und im Gespräch wahrnehmen können, die mit Besserung, Verschlechterung, Hoffnung, Befürchtung, Resignation verbunden sind, welche einen wichtigen Teil von Prof. Steurers Punkt 4, der nicht näher definierten medizinischen Allgemeinbildung, ausmachen und die nur im Verlauf durch die eigene Anwesenheit wahrgenommen und angesprochen werden können, aber theoretisch schlecht vermittelbar sind. Wesen und Privileg einer medizinischen Allgemeinbildung ist meines Erachtens, dass sie unabhängig von der Fachrichtung zum Arzt-Sein im Allgemeinen gehört und deren unabdingbare Voraussetzung Zeit ist.