Der Triumph der ökonomischen Medizin

Horizonte
Édition
2021/36
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2021.20069
Bull Med Suisses. 2021;102(36):1183

Publié le 08.09.2021

Wo man hinhört, hört man Klagen
drüber, was der muss ertragen,
der bei seinen Leisten still
und im Ernste bleiben will.
Denn es wächst in ihm Empörung
über seiner Arbeit Störung.
Kürzlich hat der CEO
dargelegt, er denke so:
Weder sei es klug noch richtig,
wenn man Ärzte hält für tüchtig,
deren Leistung nicht gemessen
täglich durch die Zählung dessen,
was exakt sich zählen lasse,
dass man ihren Wert erfasse.
Sprach: «Drum legen wir Gewicht
sehr auf Ihren Fachbericht
für die Information
unserer ganzen Region.
Dies zeigt Ihre Presse-Kraft,
welche PR-Punkte schafft.
Schon für Sie im Sinn des Ganzen
ist gebucht der Kurs BILANZEN.
Unsere Physio-Abteilung
braucht viel höhere Auslastung,
dies, indem Sie Wege finden,
auch Gesunde anzubinden.
Sehr erwünscht ist, wenn noch Zeit
für Beratungstätigkeit
bleibt in unsern Führungsgremien,
selbst wenn hier nicht winken Prämien.
Dieses AUF VEREINTEN WEGEN
kommt dem Wir-Gefühl entgegen.
Jährlich steigt die Punktzahl zwar,
die fürs gleiche Honorar
nach betrieblichen Beschlüssen
Sie zusammentragen müssen.
Doch gelingt es so, Vertrauen
auf den Punkten aufzubauen,
und es spukt nicht mehr herein
der Gefühle schale Schein.
Auch ersetzt der Punktepegel
elegant die Standesregel,
insbesondere handelt es
sich um, was Hippokrates
mit dem Eide einst gelobte
und erfolgreich er erprobte,
doch das stört, bei aller Achtung
für die ethische Betrachtung,
unsere Kosteneffizienz
der Privatteil-Konkurrenz
und es brächte Ihnen Frust
durch enormen Punktverlust,
wäre wider das Verhalten,
Abklärung so zu gestalten,
dass der Kunde nicht muss warten,
bis wir neuste Technik starten,
sondern rasch und wenn vonnöten
nochmals wird hereingebeten,
dass das Wohl-Tun er verspürt,
welches man signalisiert,
aber er bei diesen Dingen
nicht vermeint, man möcht ihn zwingen,
sondern schliesst, dass die Beschwerden
endlich ernst genommen werden.
Unserseits wird immer alles
abgerechnet, dass des Falles
ökonomisches Gewicht
unserem Optimum entspricht.
Und das geht nur, wenn das Denken
Algorithmen trefflich lenken,
warnen, dass beim Kranken-Heilen
man nicht redend soll verweilen,
weil es unsern Cash-Flow stört,
wenn zu lange zu man hört.
Dass nun diesen Kodex stützen
Ärzte, Pflege und benützen
und dadurch die Klinik prägen,
ist für den Betrieb ein Segen.
Sprache wird sogar durchdrungen,
dadurch, was uns schon gelungen
mit der ÖKOMEDIZIN,
die nun immer mehr wird blüh’n.
Dass nicht droh’n geldwerte Fehler,
gibt’s den KLINIK-KODEX-ZÄHLER,
der berechnet instantan,
welcher Teil des, was getan,
als Gewinn für unser Haus
stündlich, täglich springt heraus.
Jedermann kann sein Verhalten
dementsprechend jetzt gestalten
und auch individuell
seinen Bonus auf der Stell,
was auch klar erfüllt den Sinn
unseres Leitmotivs WIN-WIN.»
Prof. em. Dr. med. Max Stäubli, 
Ebmatingen
Ein Gedicht in Anlehnung an die satirisch mahnende Komödie Knock oder Der Triumph der Medizin [1] von Jules Romains und zwei in der Schweizerischen Ärztezeitung erschienene Artikel zum Thema Gesundheits­ökonomie [2, 3].
maxstaeubli[at]bluewin.ch
1 Romains J. Knock oder Der Triumph der Medizin. Stuttgart: Philipp Reclam jun.; 1997.
2 Aujesky D, Capaul R. Gegen die zunehmende Ökonomisierung der Medizin. Schweiz Ärzteztg. 2021;102(27–28):911–2.
3 Capaul R, Brack T, ­Aujesky D. Medizin und Ökonomie. Schweiz Ärzteztg. 2020;101(44):1450.