In memoriam Friedrich Paul Magerl (1931 – 2020)

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2021/3132
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2021.20013
Bull Med Suisses. 2021;102(3132):984

Publié le 04.08.2021

Das Leben von Friedrich Magerl, ein weites Feld: es reicht von den Kriegs-Schrecknissen der Jugendjahre in der Steiermark bis zum weltbekannten Halswirbelsäulen-Chirurgen des 20. Jahrhunderts, dem zu Ehren die Cervical Spine Society 1989 ihren 6. Jahreskongress in St. Gallen ausrichtete. Friedrich Magerl hat mit neuen Ideen die Wirbelsäulenchirurgie entschieden bereichert.
Die Grundfeste der Medizin, die Anatomie! Nur wenn einer gleichsam profunder Insider der Anatomie der Wirbelsäule ist, darf er sich überhaupt wagen, mit Skalpell und Implantat heilen zu wollen. Das Risiko der ­iatrogenen Schädigung liegt hier so nah wie sonst ­nirgends in der Orthopädie. Die plastische Vorstellung des Bewegungsapparates muss Magerl beim Anatomen Hafferl in Graz gelernt haben. Vor 50 Jahren – die orthopädische Chirurgie wurde neu definiert – war «Rigid Fixation» das Credo der Mitglieder der AO. Die Stabilisierung der aus dem Lot gefallenen Wirbelsäule war das therapeutische Ziel der wenigen Wirbelsäulenchirurgen, die sich zur AO-Spine formierten. Magerl verschob die Grenze des Machbaren mit der Translaminären Verschraubung und der Dens-Verschraubung. Diese Eingriffe verlangen ein absolut sicheres 3-D-Navigieren der eigenen Hände. Den an den Extremitäten bekannten Fixateur externe hat er in die Wirbelbögen und -körper eingesetzt und damit die Ära der winkelstabilen Implantate am Achsenorgan miteingeleitet.
Im OP war unser Lehrer Friedrich Magerl in seinem Element und als Instruktor für Dutzende internationaler Gäste in St. Gallen ein nicht ermüdender Diskutant. Es verging kaum ein Tag, an dem nicht ein Fellow an ­einer Operation des Staroperateurs – nein – einer al­lürenfreien chirurgischen Koryphäe teilnahm und ­Expertenwissen in die weite Welt mitnahm.
Im Gegenzug kamen Patienten von überall her nach St. Gallen, zu Friedrich Magerl. Seine berühmteste Patien­tin war Fürstin Therese von Schwarzenberg. In ihrem Buch Mein Weg zurück ins Leben (Heyne 1996) heisst es: «Auf dem Programm stand der Flug nach St. Gallen: ihn müsste ich überleben, denn dort sollte ich von Prof. Magerl operiert werden.» Dazu ihr Operateur: «Und es wurde ein Erfolg: … und ich hoffe, dass Frau von Schwarzenberg das schwere Schicksal einer motorischen Tetraplegie erspart bleibt.»
Als hausberufener Nachfolger von B. G. Weber war ab 1987 Friedrich Magerl unser Chef am Kantonsspital St. Gallen: Immer sachorientiert, manchmal kantig, niemals bissig, um Ausgleich bestrebt, wohl gelegentlich auch missverstanden, lieber im Op. als ausserhalb, mehr ­arbeitend als schreibend, dem aufkommenden Digital-Zeitalter aufgeschlossen gegenüber. Dieser Chefarzt hat sich der Grenzüberschreitung durch die chirurgische Nachbardisziplin am KSSG und damit dem Zerfall der (Traditions-)Klinik für Orthopädische Chirurgie 1990 mutig entgegengestellt. Seine Nachfolger profitieren noch heute davon.
Nach seinem Rücktritt 1994 hat er nicht ruhen können und sein Wissen in eine Firma eingebracht, die mit neuen Materialien einen Innovationsschub auf dem Gebiet der Implantatologie für die Wirbelsäule ausgelöst hat.
Friedrich Magerl hat das Tor für die rasante Entwicklung der Wirbelsäulenchirurgie vor 50 Jahren mit ­aufgestossen. Wo auch immer er stand, haben seine markante Erscheinung und sein Votum Respekt hervorgerufen, ohne Heischen nach lautem Applaus.
Dank rufen ihm seine Schüler und Weggefährten vom ganzen Globus nach.
Prof. Dr. med. Peter Engelhardt
Prof. Dr. med. ­Peter ­Engelhardt
SVA Aargau
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peter.engelhardt[at]sva-ag.ch