Der Nachholbedarf der digitalen Schweiz und die Bedürfnisse der kranken Menschen

Briefe / Mitteilungen
Édition
2021/2728
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2021.20000
Bull Med Suisses. 2021;102(2728):924

Publié le 06.07.2021

Der Nachholbedarf der digitalen Schweiz und die Bedürfnisse der kranken Menschen

Das Gesundheitswesen der Schweiz hat bei der Digitalisierung einen grossen Nachhol­bedarf. So jedenfalls tönt es immer wieder aus Kreisen der Politik sowie der Pharma- und ­IT-Industrie. «Der Nachholbedarf ist gross», schreibt auch Alexander Zimmer und bezieht sich auf das Ranking der Bertelsmann-Stiftung, wonach wir Helvetier auf dem Platz 14 der 17 untersuchten Länder gelandet sind. Ist «Nachholbedarf» jedoch überhaupt ein Argument? Oder vielleicht einfach nur Rethorik und Propaganda? Oft wird Dänemark als digitaler Musterknabe hingestellt, im besagten Ranking besetzt das nordische Land den dritten Rang. Nun: Dänemark hat im Vergleich zur Schweiz auch den stärkeren Aquavit, den besseren Blaukäse und die schöneren Leuchttürme. In diesen Bereichen redet indes niemand von «Nachholbedarf». Viele meiner Patienten kommen aus Portugal, manche aus Ex-Jugoslawien, einige aus Deutschland, eine ältere Dame aus Dänemark, die meisten aus der Schweiz. Sie beklagen sich nicht über das Schweizer Gesundheitssystem. Die Patienten schätzen es, wenn sie beim Arzt ein offenes Ohr erwarten dürfen. Wenn der Arzt oder die Ärztin nicht gestresst wirkt und nur auf den Bildschirm starrt. Wenn die nötigen Abklärungen und Therapien rasch und zielgerichtet eingeleitet werden. Das sind die Bedürfnisse unserer Patientinnen und Patienten. Über die vergleichsweise rückständige Digitalisierung im Schweizer Gesundheitswesen – darüber haben sich die kranken Menschen in meiner Sprechstunde noch nie beklagt.