Die Versorgungskapazität in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie ist viel zu klein!

Briefe / Mitteilungen
Édition
2021/21
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2021.19864
Bull Med Suisses. 2021;102(21):689

Publié le 26.05.2021

Die Versorgungskapazität in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie ist viel zu klein!

Die Schweizerische Gesellschaft für Psych­iatrie und Psychotherapie hat die Versorgung ­Erwachsener in der COVID-19-Pandemie mit einer Umfrage bei ihren Mitgliedern untersucht. Im entsprechenden Artikel in der SÄZ heisst es auch: «Gegebenenfalls erscheint Bedarf nach höheren Versorgungskapazitäten im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie (KJPP) zu bestehen.»
Als freipraktizierende Fachärztin sehe ich klar eine ungenügende Versorgungskapazität zumindest in der Ostschweiz. Ich höre auch von meinen Kolleginnen und Kollegen und von den Chefärztinnen und -ärzten der KJPDs und stationären Einrichtungen in der KJPP, dass sie monatelange Wartezeiten haben. Diese Wartezeiten gelten auch für schwer beeinträchtigte Patientinnen und Patienten, zum Beispiel Kinder, die wegen ihrer psychiatrischen Störung die Schule nicht mehr besuchen ­können und ambulant nicht intensiv genug behandelt werden können. Die langen Wartezeiten führen zu einer Chronifizierung der Störungen, welche in der Folge schwieriger und mit mehr Aufwand behandelt werden müssen. Jugendliche, die wegen einer psychischen Erkrankung wichtige Meilensteine wie die Berufswahl nicht bewältigen können, können auf Jahre hinaus benachteiligt sein.
Die Versorgung in der KJPP war schon vor der Pandemie ungenügend, mit Wartezeiten, die in der Somatik von niemandem akzeptiert würden. Die Pandemie hat das Problem noch verschärft, weil Kinder mit Lern- und Leistungsstörungen infolge von Schulschliessungen und Fernunterricht noch grössere Mühe hatten, in der Schule mitzukommen, und ­deswegen vermehrt reaktive Störungen von Verhalten oder Emotionen entwickelten. Lernende haben vermehrt Angst, die Abschluss­prüfungen infolge Mangel an beruflicher und schulischer Praxis nicht zu bestehen oder keine Stelle zu finden, weil Lehrabgänger mit coronabedingt reduzierter Ausbildung in der Wirtschaft weniger gefragt sind.