Akademische Titel – Etikettenschwindel?

Briefe / Mitteilungen
Édition
2021/21
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2021.19828
Bull Med Suisses. 2021;102(21):699-700

Publié le 26.05.2021

Akademische Titel – 
Etiketten­schwindel?

Kollege S. Sevinç beklagt sich, dass im Ausland ausgebildete und in der Schweiz praktizierende Ärztinnen und Ärzte ihren im Rahmen eines Berufsdoktorats erworbenen Titel «Dr. med.» nur verwenden dürfen, wenn zusätzlich das Kürzel des Herkunftslands (A, H, SRB) hinter dieser Bezeichnung steht: z.B. «Dr.med. (H)». Diese Vorschrift der kantonalen Gesundheitsbehörden wird von ihm als Stigmatisierung interpretiert und als fehlende Wertschätzung empfunden.
Bekanntlich gibt es – man denke an die USA und Österreich – grosse Unterschiede im Gebrauch und in der beigemessenen Bedeutung akademischer Titel. Darauf soll aber nicht eingegangen werden.
Zur Vermeidung eines Etikettenschwindels sollen akademische Titel so aufgeführt werden, wie sie tatsächlich verliehen wurden. Der akademische Grad «Dr. med.» wird hier­zulande, gestützt auf eine wissenschaftliche Arbeit, die erst im Anschluss an das Medizinstudium – im Rahmen einer Dissertation – verfasst wurde, verliehen. Selbstverständlich steht es den im Ausland ausgebildeten Kolleginnen und Kollegen frei, durch eine solche Sonderleistung ihren akademischen Titel aufzuwerten und diesen dann ohne «diskriminierenden» Zusatz zu führen. Ich selbst habe einigen motivierten ausländischen Kolleginnen und Kollegen die Promotion zum Dr. med. ermöglicht.
Der Erwerb auch anderer akademischer Abschlüsse beruht auf unterschiedlichen An­forderungen. Dieser Tatsache wird durch eine korrekte Benennung der entsprechenden ­Diplome und Titel Rechnung getragen. Nur so ist es – seit der Bologna-Reform – möglich, z.B. einen Abschluss als Maschineningenieur an der ETH, Master of Science ETH in Mechanical Engineering (MSc ETH ME), vom Abschluss an einer Fachhochschule, MSc ME ZHAW (Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften), zu unterscheiden.
Etikettenschwindel wird hierzulande nicht selten mit dem Titel Dr. phil., der als Zusatz zur Bezeichnung Dr. med. geführt wird («Doppeltitel»), betrieben. Diese Tatsache lässt sich leicht anhand von Briefköpfen bekannter Kliniken und Institute belegen. Der meist im Ausland, z.B. in Australien oder in den Niederlanden, im Rahmen einer üblicherweise zweijährigen wissenschaftlichen Tätigkeit erworbene Titel PhD wird – entgegen einschlägigen fakultären Vorschriften – durch die Bezeichnung Dr. phil. ersetzt. Der Erwerb dieses Titels ist aber nicht nur mit einem viel höheren Zeitaufwand verbunden, sondern auch deutlich anspruchsvoller.
Noch spannender ist der Etikettenschwindel mit dem Professorentitel, dessen «Währung» u.a. mit geläufigen Abkürzungen der Herkunftsuniversität oder -hochschule transparent gestaltet werden könnte.