In memoriam Bernard Lown (1921-2021)

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Édition
2021/12
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2021.19666
Bull Med Suisses. 2021;102(12):426

Publié le 24.03.2021

Bernard Lown ist am 10. Februar 2021 zu Hause, in der Nähe von Boston (USA), in seinem 99. Altersjahr gestorben. Als er 14 Jahre alt war, verliess seine Familie Litau­en. Für ­Juden war die Bedrohung durch den zunehmenden ­Antisemitismus zu gross geworden. Sein Grossvater war Rabbi gewesen, der Vater Schuhmacher. Bernard wurde Kardiologe und entwickelte 1962 den ersten brauchbaren Herz-Defibrillator. Ausserdem war er Mitbegründer der Gruppe «Ärzte gegen den Atomkrieg», die den ­Friedensnobelpreis erhielt. Ich hatte das Glück, ihn bei einem Abendessen im kleinen Kreis kennenzulernen.
Ich möchte aus einem Nachruf des Arztes Rich Joseph in der New York Times vom 20. Februar 2021 zitieren, der Lown, als er 96 Jahre alt war, wegen einer Pneumonie im Spital betreut hatte und drei Jahre die Verbindung zu seinem Spitalpatienten aufrechterhielt. So lernte er Lowns Gedanken kennen, die für die weitere Entwicklung der heutigen Medizin bedeutsam sind. Ich halte die Überlegungen Lowns für besonders wichtig, weil sie nicht von einem Arzt aus dem Gebiet der Psychologie und Psychiatrie stammen, sondern von einem bedeutenden somatischen Kliniker, Forscher und Patienten.
Die folgenden Zeilen sind Auszüge aus Josephs Nachruf zu den Gedanken und Aussagen Lowns:
The health care system needs to change. “Doctors of conscience” have to resist the industrialisation of their profession.
This begins with our own training. Certainly doctors must understand disease, but medical education is overly skewed toward the biomedical sciences and minutiae about esoteric and rare disease processes. Doctors also need time to engage with the humanities, because they are the gateway to the human experience.
To restore balance between the art and the sciences of medicine, we should curtail initial coursework in topics like genetics, developmental biology and biochemistry, making room for training in communication, interpersonal dynamics and leadership.
Finally, hospitals should be a last resort, not the hallmark of the health care system. The bulk of health care resources should go instead into homes and communities. After all, a large majority of health problems are shaped by nonmedical factors.
Ich möchte diesen Nachruf nicht ohne eine Mahnung Thure von Uexkülls schliessen (1985), die er im Vorwort zu unserem Buch Praxis und Theorie der Anamnese geschrieben hat: «Dieses ‘Mehr an Arzt’, das unsere moderne technisch so perfektionierte Medizin erfordert, um effizient und human zu sein, setzt Ausbildung und Schulung voraus. Das Wissen um die bio-psycho-sozialen Zusammenhänge und die Kompetenz damit umzugehen, sind nicht durch guten Willen und Freundlichkeit zu ersetzen. Das Wissen bedarf einer Ausbildung und die Kompetenz damit umzugehen, ­einer Schulung.»
Prof. em. Dr. med. Rolf H. Adler
michele.rolf.adler[at]gmail.com