Sprachbarrieren: viel häufiger als gedacht

Briefe / Mitteilungen
Édition
2021/03
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2021.19514
Bull Med Suisses. 2021;102(03):87

Publié le 20.01.2021

Sprachbarrieren: 
viel häufiger als gedacht

Der Artikel zeigt eines der grossen Probleme in der ärztlichen Praxis auf. Erstaunlicherweise wird dieses Problem aber von den Kollegen nur bei einem kleinen Teil der Konsulta­tionen wahrgenommen. So erstaunlich ist es allerdings auch wieder nicht, es hängt nämlich oft zusammen damit, wie sich viele sprachunkundige Personen in der Konsultation verhalten.
Viele Migranten sind ausgesprochen höfliche Menschen, und in vielen Kulturen muss man gerade Autoritäten gegenüber besonders höflich sein und sie zufrieden stellen. Es kann also sein, dass Sie einen Patienten gegenüber haben, dem Sie etwas erklären. Der sieht sie interessiert an, lächelt etwas, nickt von Zeit zu Zeit und bedankt sich am Ende sehr. Dann sind Sie zufrieden, weil Sie denken, er habe sie verstanden. Er aber geht von dannen und hat kein Wort verstanden, ist aber zufrieden, weil Sie zufrieden scheinen.
Vielleicht hat der Patient etwas später bei uns in der psychiatrischen Migrationssprechstunde einen Termin, und wir haben syste­matisch Übersetzung zur Verfügung. Dann kommt er mit seinen Fragen, und wir versuchen, die Erklärungen zu wiederholen. Ein nicht unerheblicher Teil unserer Arbeit besteht darin, Dinge zu übersetzen, die die Pa­tienten bei anderen Ärzten nicht verstanden haben.
Und die Anzahl Patienten, die nicht verstehen, ist viel höher, als ihre Ärzte vermuten. Daher ein Tipp: Wenn Sie einer sprachunkundigen Patientin etwas erklären, fragen Sie am Schluss nach, was sie verstanden hat. Sie merken dann bald, ob es wirklich ohne Übersetzung geht oder eben doch nicht.