Nach 20 Jahren erfolgreicher hausärztlich koordinierter Versorgung torpediert das BAG das Erfolgsmodell

Briefe / Mitteilungen
Édition
2020/38
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2020.19196
Bull Med Suisses. 2020;101(38):1187

Publié le 15.09.2020

Nach 20 Jahren erfolgreicher hausärztlich koordinierter Versorgung torpediert das BAG das Erfolgsmodell

Die Sicht der Hausarztnetzwerke zu den geplanten bundesrätlichen Massnahmen zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen
Die geplanten bundesrätlichen Massnahmen zur Kostensenkung, insbesondere die Einführung einer obligatorischen Erstberatungsstelle, gefährdet das auf Freiwilligkeit beruhende und bisher äusserst erfolgreiche Hausarztmodell. Der Qualitätsaspekt, in den bisherig gemeinsam vereinbarten Verträgen, wird durch den Fokus auf reine Kostenreduktion torpediert.
Seit über 20 Jahren weisen die Ärztenetze mit vertraglicher Budget-Mitverantwortung jährliche Einsparungen von 15–20% auf, und zwar ohne relevante Risikoselektion, wie fälsch­licherweise immer wieder behauptet wird. ­Allein die Ärztinnen und Ärzte der Argomed Ärzte AG erzielten 2019 erneut ca. 200 Millionen Franken an Einsparungen gegenüber konventionell versicherten Patienten, dank einer sinnvollen Koordination über den Behandlungspfad. Aus diesem Grund sind wir legitimiert, zu den geplanten Massnahmen des Bundesrats Stellung zu nehmen.
Diese Erfahrungen zeigen, dass eine verbindliche und freiwillige Vereinbarung zwischen Krankenversicherer und Leistungserbringer im Rahmen der alternativen Versicherungsmodelle ein Erfolg ist. Voraussetzung ist jedoch, dass die Partner in vertrauensvoller Art vernünftige und umsetzbare Ziele vereinbaren. Diese beinhalten nebst vereinbarten Kosteneinsparungen auch Qualitätsvereinbarungen, welche finanziell unterstützt werden. Ein Wermutstropfen, aber passend zur bisherigen politischen Entwicklung, bleibt das konsequente Negieren des grossen Erfolgs dieser hausärztlich koordinierten Medizin (Man­aged Care) durch die Politik. Die hausärztlich koordinierte Medizin ist nachweislich die einzige Massnahme, welche die Kosten im Gesundheitswesen zu senken vermochte – und dies bei gleichzeitiger Steigerung der Behandlungsqualität.
Heute sind über 60% der Bevölkerung in ­einem alternativen Versicherungsmodell versichert, aber nur 20% in einem mit verbindlicher Budget-Mitverantwortung. Genau diese Modelle mit Budget-Mitverantwortung müssen gefördert und die Patienten vermehrt einbezogen werden. Differenzierte und höhere Prämienreduktion gegenüber Listenmodellen («Schwarzfahrermodelle»), Apotheker- oder Telmed-Modellen, welche kaum echte Kosteneinsparungen gezeigt haben, würden die hausärztlich koordinierte Medizin mit ihren funktionierenden Strukturen stärken.
Erfolgreiche Freiwilligkeit braucht kein Obligatorium, sondern Überzeugung und Anreize für alle Beteiligten; das fördert nachweislich die Qualität und senkt in der Folge auch Kosten. Die aktuelle politische Diskussion über Zielkosten oder Budgetdeckel werden über lange Zeit Ressourcen im ganzen System binden, Gräben zwischen den Exponenten auftun und Vertrauen verspielen, welches über Jahre aufgebaut wurde.
Was es lediglich noch braucht, ist die einheitliche Finanzierung ambulanter und stationärer Leistungen (EFAS). Das Ziel der geplanten Kostensenkungsmassnahmen, nämlich die Prämienlast der Bürgerinnen und Bürger zu senken, wird so zur Realität.