Alter ist keine Krankheit

Briefe / Mitteilungen
Édition
2020/2122
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2020.18935
Bull Med Suisses. 2020;101(2122):689-690

Publié le 20.05.2020

Alter ist keine Krankheit

Viele 65- bis 75-jährige Menschen haben keine Vorerkrankungen, die ein Covid-19-Risiko darstellen. Für die betroffenen gesunden Alten ist es diskriminierend, wenn sie vom Bundesrat als Risiko bezeichnet werden und nicht Kinder hüten, einkaufen und den öffentlichen Verkehr benützen sollen. Die senior GLP bittet den Bundesrat um eine differenziertere Definition der Risikogruppen und schlägt einen «Covid-19-Risiko-Check-up» vor, mit dem in Arztpraxen das Risiko für eine schwere Covid-19-Erkrankung abgeklärt werden kann.
In den Richtlinien des BAG gelten alle Menschen im Alter von 65+ als eine Risikogruppe für schwere Verläufe nach einer Infektion durch das Coronavirus. Sie sollen deshalb besonders geschützt werden und auf bestimmte Tätigkeiten verzichten, insbesondere auf das Hüten von Enkelkindern, das Einkaufen und die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel. Tatsache ist aber, dass es viele «jüngere Alte» (65- bis 75-Jährige) und auch einige noch Ältere gibt, die fit und gesund sind, die biologisch jünger sind als ihr kalendarisches Alter und die keine Vorerkrankungen haben, die ein Covid-19-Risiko darstellen. Für die betroffenen gesunden Alten ist es diskriminierend, wenn sie vom Bundesrat als Risiko bezeichnet werden. Diese Diskriminierung hat zahlreiche negative Auswirkungen, nicht nur die Verhinderung von Kinderhüten, Einkaufen und Verzicht auf öV. Auch volkswirtschaftlich gesehen ist es unsinnig, auf die wichtigen Leistungen von gesunden älteren Menschen zu verzichten.
Die senior GLP bittet den Bundesrat, dass er die Definition der Risikogruppen differenziert und über 65-Jährige nicht mehr pauschal als Risikogruppe einstuft. Alter ist keine Krankheit, es korreliert nur mit Krankheit. Die gegenwärtige Definition von Risiko ist sehr grob, was in der Anfangszeit der Epidemie legitim war, aber nun differenziert werden sollte. Der Bund soll ausserdem Forschung zur Ermittlung des evidenzbasierten Risikos unterstützen oder mindestens vorliegende Daten entsprechend auswerten lassen. 
Die senior GLP schlägt ausserdem vor, dass ein evidenzbasierter «Covid-19-Risiko-Check-up» entwickelt wird. Dieser Check-up soll in Arztpraxen allen Menschen angeboten werden, nicht nur älteren Menschen, sondern auch jüngeren, die ihr Risiko beurteilt haben wollen. Nach dem Check-up erhält man ein Arztzeugnis über den Gesundheitszustand und über das Covid-19-Risiko. Wenn der Check-up ergibt, dass ein kleines Risiko für eine schwere Covid-19-Erkrankung besteht, gehört man nicht zu einer Risikogruppe, auch wenn man älter als 65 ist. Ältere Menschen mit kleinem Risiko können dann selber einkaufen, als Grosseltern Enkelkinder hüten, den öffentlichen Verkehr benützen etc.