Stationäre psychosomatische Behandlung abschaffen?

Briefe / Mitteilungen
Édition
2020/1718
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2020.18866
Bull Med Suisses. 2020;101(1718):579-580

Publié le 22.04.2020

Stationäre psychosomatische Behandlung abschaffen?

Der Titel wirkt absurd, nicht wahr? – Doch genau dies fordert Kollege Samuel Hoffmann in seinem Leserbrief. Es ist ein eigenartig anmutender Rundumschlag gegen die «stationäre psychosomatische Behandlung». Man fragt sich, was soll das?
Was ist überhaupt mit stationärer psychosomatischer Behandlung gemeint? In Deutschland wird klar zwischen psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken unterschieden. Psychosomatische Kliniken sind Orte, wo stationäre Psychotherapie angeboten wird. Bei uns fehlt eine solche Trennung. Psychiatrische Kliniken bieten, ausgenommen bei Notaufnahmen, in der Regel genauso psychotherapeutische Behandlungsprogramme an wie psychosomatische Kliniken, die sich explizit so nennen. Deshalb muss davon ausgegangen werden, dass der Autor die Sinnhaftigkeit von stationärer Psychotherapie generell in Abrede stellt.
Eine solch ungeheuerliche Behauptung müsste man fundierter begründen als lediglich mit der persönlichen Erfahrung. Dies auch, wenn man wie Kollege Hoffmann für sich in Anspruch nimmt, «mit allen Wassern gewaschen» zu sein. Er habe «vor Jahren» eine psychosomatische Station geleitet, danach sei er «jahrelang» in eigener Praxis tätig gewesen und schliesslich habe er zehn Jahre als Ver­sicherungsgutachter gearbeitet. – Wie lange liegt wohl seine Leitung der psychosomatischen Station zurück? Vielleicht 20 Jahre oder auch länger. Sein Einblick in dieses Behandlungssetting ist also wahrscheinlich nicht mehr ganz aktuell.
Im weiteren, wie kommt jemand dazu, die ­interessante psychotherapeutische Arbeit am Patienten aufzugeben, um als Versicherungsgutachter zu arbeiten? Also weg davon, Menschen zu helfen, und – die Fronten wechselnd – stattdessen die Interessen einer Versicherung gegenüber den Menschen vertreten, ­denen man vorher zu helfen suchte? – Waren es mangelnde Behandlungserfolge? Waren es finanzielle Anreize? – Beides würde nicht zu ­einer qualifizierten Beurteilung der grundsätzlichen Möglichkeiten der stationären Psychotherapie legitimieren.