Planetarer Notfall!

Briefe / Mitteilungen
Édition
2020/14
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2020.18825
Bull Med Suisses. 2020;101(14):496

Publié le 31.03.2020

Planetarer Notfall!

Es ist überwältigend zu sehen, wie Menschen in einer Krisensituation zu Handlungen fähig sind, die das Gemeinwohl fördern. Angesichts der kollektiven Bedrohung werden Solidarität, Mitgefühl und Fürsorge im Alltag wieder erlebbar und selbstverständlich. Die gegenwärtige Gesundheitskrise ermöglicht es uns, unsere Verbundenheit und gegenseitige Abhängigkeit als Menschheit und von der Natur zu erfahren.
Dies ist die Zeit, neue Wege des Menschseins zu beschleunigen, um in unseren planetarischen Grenzen leben zu können. Der Erhalt der Menschheit hängt von deren Investition in die Zukunft ab. Das derzeitige Erwachen der Menschlichkeit gilt es nun zu kultivieren, um zukünftigen Generationen eine lebenswerte Welt zu ermöglichen.
Wir müssen uns auch fragen, warum die menschlichen Gesellschaften plötzlich die ­Bereitschaft zeigen, die notwendigen Schritte zu unternehmen, um das Coronavirus als ­unmittelbare Bedrohung zu bekämpfen, aber gleichzeitig nicht die Massnahmen ergreifen, um die längerfristige Bedrohung durch die Klimakrise zu mildern. Sind die menschlichen Gehirne unfähig, für nicht unmittelbare Bedrohungen zu planen oder auf sie zu rea­gieren? Oder sind sie etwa nur in der Lage zu handeln, wenn sie sich selbst und ihre nächsten Angehörigen bedroht sehen? Wenn ja, wie können wir strukturelle und systemische ­Veränderungen durchführen, die diesem Verhalten entgegenwirken? Denn wenn wir die gleiche Energie und Dynamik wie für die ­Covid-19-Krise in die Klimakrise gesteckt ­hätten, würden wir bereits heute einer enkeltauglichen Zukunft entgegenblicken können.
Angesichts der unmittelbaren Bedrohungen durch den Klimawandel und der allgegenwärtigen Ungerechtigkeit bringt die neue WHO-UNICEF-Lancet-Kommission ein überzeugendes ethisches und wirtschaftliches Argument für eine gesicherte Zukunft der Kinder der Welt. Die Kommission setzt sich dafür ein, dass Kinder im Mittelpunkt der Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) stehen und dass ihre Gesundheit und ihre Rechte weltweit geschützt werden [1].
Weltweit protestieren Schulkinder und Jugendliche zu Millionen gegen die Zerstörung der Natur und Biodiversität durch die Wirtschaft mit fossilen Brennstoffen und für Klima­gerechtigkeit. Es ist unsere Aufgabe, die neu gewonnenen offenen Herzen zu für diese Stimmen und Fähigkeiten der jungen Generationen und für eine nachhaltige und gesunde Zukunft des Planeten zu stärken. Die aktuelle Lage zeigt uns, dass für radikale ­Lösungen auch radikale Massnahmen erforderlich sind. Die Menschen waren bisher nicht bereit dazu, aber das erstmalige Er­lebnis eines globalen gesundheitlichen Notstandes gibt uns einen Vorgeschmack auf zu erwartende weltweite Probleme in der Klimakrise. Covid-19 lehrt uns, dass Klimakrise und Gesundheitskrise untrennbar miteinander verflochten sind.
Damit wir aus der Notlage herauskommen und eine Vielzahl weiterer Katastrophen wie diese verhindert werden können, müssen wir noch mehr als bisher zusammenarbeiten.
Aufgrund der Auswirkungen von Covid-19 ­haben führende Politiker der Welt erkannt, dass ein kollektives Handeln notwendig ist, um die Schwächsten zu schützen. Diese Erkennt­nis ist aufrechtzuerhalten und zu ­stärken, um die Rettung des Klimas, der bio­logischen Vielfalt und um nachhaltige Wirtschaftsmodelle zu erreichen.
Corona zeigt uns, dass es ginge, wenn wir wollten.