Positive Resultate unerwünscht?

Briefe / Mitteilungen
Édition
2020/03
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2020.18564
Bull Med Suisses. 2020;101(03):58

Publié le 15.01.2020

Positive Resultate unerwünscht?

In seinem Artikel beschreibt Hansueli Albonico treffend, in welchem Spannungsfeld sich einerseits Medizin und Politik und andererseits konventionelle Medizin und Komplementärmedizin bewegen. Das Programm Evaluation Komplementärmedizin PEK hat trotz aller positiven Effekte im Dialog zwischen ­Politik, konventioneller Medizin und Komplementärmedizin aber bei seiner Beendigung 2005 aufgezeigt, dass schlussendlich trotzdem der Geldgeber (hier die Politik) bestimmt, welche Ergebnisse erwünscht und damit auch publiziert oder öffentlich vorgestellt werden dürfen. Seit einigen Jahren geht in Australien ein ähnlicher Prozess vor sich. 2015 ist vom National Health and Medical Research Council (NHMRC) eine Übersichtsarbeit zur Homöopathie veröffentlicht worden, die weltweit für Schlagzeilen und Stellungnahmen wissenschaftlicher Komitees geführt hat. Alle suggerieren, dass der australische Bericht zum Schluss gekommen sei, dass Homöopathie nicht wirksam sei. Dem ist aber nicht so. Dank Bemühungen diverser Gruppierungen konnte Einsicht in die Akten erfolgen, mit dem erstaunlichen Ergebnis, dass dieselbe Behörde, NHMRC, bereits 2012 einen Bericht zur Homöopathie erstellen liess, über diesen aber nie informiert hat. Im ersten Bericht ist ein Team der University of South Wales zum Schluss gekommen, dass für fünf Krankheitsbilder vielversprechende Evidenz für eine ­positive Wirkung bestehe. Diese Resultate korrelieren mit den Ergebnissen früherer ­Metaanalysen zur Homöopathie. Positive Aussagen zur Homöopathie sind aber offenbar auch in Australien unerwünscht. Im zweiten Bericht von 2015 kann ein nicht-positives Resultat für die Homöopathie nur vermieden ­werden, indem unüblich strenge Kriterien an Grösse und Qualität der Studien gestellt werden, die der NHMRC bei der Überprüfung von Studien der konventionellen Medizin sonst nicht anwendet. Mit diesem Vorgehen kann die Anzahl eingeschlossener Studien von 171 auf 5(!) reduziert werden. Gegenüber der im Rahmen von PEK durchgeführten Metaanalyse zur Homöopathie gibt es von wissenschaftlicher Seite ähnliche Bedenken betreffend der gewählten statistischen Methode.
Als ehemaliger Dozent am Institut für Komplementäre und Integrative Medizin der Universität Bern sehe ich bei den Ergebnissen von PEK weiteren Klärungsbedarf im Sinne einer vollständigen Auswertung und einer sachlichen wissenschaftlichen Debatte.