Fronarbeit einst und jetzt

Briefe / Mitteilungen
Édition
2020/0102
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2020.18521
Bull Med Suisses. 2020;101(0102):18-19

Publié le 08.01.2020

Fronarbeit einst und jetzt

In der Schule hat mich die Zeitepoche der ­Ritter und Burgen ganz besonders fasziniert. Dabei lernte ich den Begriff «Fronarbeit» kennen. Der Lehrer erzählte von den Bauern eines Landstriches, die von den Burgherren gezwungen wurden, ihre Arbeit auf dem Hof und auf den Feldern zu unterbrechen. Stattdessen mussten sie Steine schleppen und beim Aufbau einer Festung mithelfen. Nicht ohne ­Verwunderung stelle ich fest, dass wir Ärzte heute wiederum mit «Fronarbeit» konfrontiert sind. Das Krebsregister ist ein aktuelles Beispiel für eine Zusatzaufgabe, wie sie uns Ärztinnen und Ärzten noch und noch aufgebürdet werden. Die Empörung von Kollege Schuurmans ist mehr als verständlich.
Seit den 1990er Jahren muss ich im Halbjahresrhythmus zum Behandlungsverlauf bei ­jedem meiner Methadonpatienten Bericht ­erstatten. Die Heilmittelverordnung des Kantons Zürich schreibt eine Meldung an eine wissenschaftliche Auswertungsstelle vor. Seit 2018 erwartet das Bundesamt für Statistik (BFS) alljährlich präzise betriebswirtschaft­liche Angaben zu meiner Arztpraxis. Dazu wurden unter anderem mit einer Verordnung über die Krankenversicherung die gesetzlichen Grundlagen für die Erfassung der «Medical Ambulatory Structure (MAS)» festgelegt. Die nahe Zukunft hält eine weitere unliebsame Überraschung für die medizinischen Fachpersonen bereit: Im April 2020 wird das Elektronische Patientendossier eingeführt. Vorläufig erst bei den Spitälern und Pflege­institutionen – massgebende Politiker denken allerdings schon heute über ein Obligatorium bei den Ärzten in der «freien» Praxis nach [1].
Wie der Arzt für all die von der Obrigkeit verordneten «Jöbli» jeweils entschädigt wird, bleibt meistens unklar. Ganz anders im Mittelalter: Wenn einer Fronarbeit leistete, bekam er in der Regel vom Burgherrn ein Znüni offeriert.