Critiques de livres

Horizonte
Édition
2020/06
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2020.18433
Bull Med Suisses. 2020;101(06):188-189

Publié le 04.02.2020

Das Licht, das Schatten leert

Tina Brenneisen
Graphic ­Novel
Tini und Fritzemann sind voller Vorfreude auf die Geburt ihres ersten Kindes - Lasse. Doch dann geschieht, wofür es keinerlei Anzeichen gab, eines von den «Dingen, die so unfassbar grausam sind, dass Du Dir sie gar nicht vorstellen kannst»: Lasse kommt tot zur Welt. Eine spätere Autopsie bringt dann auch den Grund zu Tage: ein unentdeckter Schwangerschaftsdiabetes.
Der Schock katapultiert sie in ein Welt emotionaler Grenzerfahrungen. Tini quälen Fragen nach der Schuld und das Gefühl, vom eigenen Körper betrogen worden zu sein. Hätte sie es nicht merken sollen? Oder die Ärztin? Wütend über die Ungerechtigkeit hadert sie mit dem Schicksal, wiederkehrende Albträume gepaart mit totaler Erschöpfung sind ihre neue Realität. Dass ihre Familie nicht damit umgehen kann und letztlich sogar den Kontakt abbricht, setzt ihr dabei besonders zu.
Doch im «Leben im Konjunktiv», in dem sie sich immer wieder vorstellt, wie das Leben mit Lasse wohl gewesen wäre, zeigt sich auch der Zusammenhalt der verwaisten Eltern, z.B. wenn sie sich gegenseitig Sterne vergeben für «Mut» oder «Aussenkontakte». Auch blitzt hie und da ihr Humor auf und sie finden, nicht zuletzt durch therapeutische Hilfe, einen Weg aus der Ohnmacht.
Tina Brenneisen gewährt in diesem autobiografischen Werk einen intimen Einblick in das Thema Totgeburt und die Dynamik des erlebten Traumas. Die Lektüre berührt und beeindruckt, nicht nur weil durch zeitliche Rückblenden der plötzliche Bruch in der Lebensgeschichte so krass verdeutlicht wird. Sie ist auch eine Virtuosin der Bildsprache, die ihren Figuren lebendigen Ausdruck verleiht; 2017 wurde sie dafür mit dem Berthold-Leibinger-Preis, der höchstdotierten deutschen Comicauszeichnung prämiert.
Betroffene erhalten Ermutigung, sich Hilfe zu holen (ein schönes Detail: der Titel des Buches leuchtet in der Dunkelheit) und Angehörige erhalten Anregung, wie sie mit den Betroffenen umgehen können, um sie optimal zu unterstützen.
Elisa Jaun
Managing Editor
elisa.jaun[at]emh.ch

Dr. Beat Richner

Kinderarzt – Rebell – ­Visionär
Peter Rothenbühler
Biographie
Vorweggenommen: Peter Rothenbühler hat ein ein grossartiges und sehr berührendes Buch über den 2018 verstorbenen Beat Richner geschrieben. Sein wichtigstes Erbe ist sein Werk für das kambodschanische Volk: fünf Spitäler, eine Maternité, ein Bildungszentrum und mehrere Millionen geheilter Kinder.
Eindrücklich beschreibt Rothenbühler den steinigen Weg Richners. Seine Arbeit sah er als (Wiedergutmachungs-) Pflicht und Arbeit für den Frieden an, die Gesundung der Kinder stand für ihn immer im Vordergrund. Er war grossen Anfeindungen ausgesetzt. Die von der WHO propagierte Politik «billige Medizin für arme Länder», wurde von Richner aufs Schärfste verurteilt. Gegen grossen Widerstand schaffte er einen Computertomografen an. Bei der Einweihungsfeier des zweiten ­Spitals sagte er einen historischen Satz, der ­manche «Experten» irritierte: «Wer da sagt, ein Computertomograf sei für dieses Land zu sophisticated, ist ein Neokolonialist.» Für ein relativ teures Antibiotikum entschied sich Richner, weil das billigere, von der WHO empfohlene, wirkungslos war und schwere, zum Teil tödliche Nebenwirkungen hatte. Er bestand auch darauf, dass eine korrekt funktionierende kambodschanische Blutbank angelegt werden müsse.
Beat Richner war ein eigenständiger Denker und engagierter Redner, der unerschrocken gegen den Strom schwamm. Und: Er war ein guter Stratege, jedoch kein Diplomat – was seiner Sache dienlich war. Wir können von Beat Richner, auch nach seinem Tod, noch sehr viel lernen.
Dr. med. Gabriella Hunziker
gabriella.hunziker[at]bluemail.ch

Nicht 1 % ­Schizophrene

Florian Langegger
Sachbuch
Den vielseitig interessierten Psychiater und Psychotherapeuten Florian Langegger kennen wir von spannenden und stimulierenden Büchern wie «Mozart – Vater und Sohn» oder «Netsuke im Vergleich». Nun hat er sich unter einem etwas prosaischen Titel «Nicht 1% Schizophrene» mit ­einem wichtigen und komplexen Thema ­beschäftigt, das mit der Tätigkeit jedes Psychiaters und Psychotherapeuten zu tun hat. Wer kennt nicht die Globalaussage über die Lebenszeitprävalenz von 1 % von an Schizophrenie erkrankten Menschen! Und bei genauerem Hinschauen zeigen sich doch beträchtliche Unterschiede, abhängig von ­vielen biologischen, sozialen und lebensgeschichtlichen Faktoren. Diesen Unterschieden nimmt sich der Autor akribisch und ­umfassend an, indem er praktisch alle erdenklichen Einflüsse in verschiedenen Kapiteln beschreibt und mit einer eindrücklichen Zahl von Literaturangaben belegt. Dabei werden neben genetischen und biologischen Hintergründen auch soziale und lebensgeschichtliche Faktoren einbezogen. In der Kürze sei hier auf das Kapitel über die Bindungstheorie hinge­wiesen, in welchem der Autor die mit dem Schlagwort «schizophrenogenen Mutter» etikettierte Psychoanalytikerin Frieda Fromm-Reichmann in einem anderen, wissenschaftlich moderneren Licht erscheinen lässt. Das Buch sei jedem, der sich mit diesem Krankheitsbild befasst, wärmstens empfohlen. Es deutet auch in die Zukunft, wenn Florian Langegger am Schluss des Buches auf wichtige präventive Faktoren hinweist: «Nötig ist ein synthetisches Verständnis, das ­Genetik, Biochemie, Neurotransmitter, Epigenetik und das weite Feld psycho-sozialer ­Umstände als eine Einheit mit vielen Facetten betrachtet und dieser Einsicht die nötigen praktische Konsequenzen folgen lässt.»
Dr. med. Beat Nick, Leitender Arzt ­Behandlungszentrum für Psychosen, ­Psychiatrische Dienste Solothurner Spitäler AG
beat.nick[at]spital.so.ch

Les cinq vies du «bon docteur Messerli»

Un demi-siècle au service de la médecine, de l’Olympisme, de l’Hellénisme, du Mouvement rhodanien et des Pirates d’Ouchy
Jean-Philippe Chenaux
Biographie
Si le Dr Francis-Marius Messerli (1888–1975) est aujourd’hui peu connu, il a été un personnage emblématique de la médecine du canton de Vaud au siècle dernier. L’ancien journaliste Jean-Philippe Chenaux lui consacre une biographie consciencieusement documentée et détaillée. Au fil de quatre chapitres distincts, le lecteur découvre les innombrables facettes et intérêts du Dr Messerli. Celui qui allait être le médecin-chef du Service d’hygiène de la Ville de Lausanne pendant trente-six ans s’intéresse à la santé publique dès la fin de ses études de médecine. Il est récompensé pour sa thèse sur l’étude du goitre, maladie qu’il explique être causée par l’eau infectée. Grâce à lui, les quartiers insalubres de la capitale vaudoise seront assainis et remplacés par des logements lumineux. Francis-Marius Messerli s’est illustré dans la lutte contre les maladies contagieuses et l’éradication du goitre endémique. Mais le «bon docteur Messerli» ne portait pas que la blouse blanche: féru de sport, il s’est chargé du secrétariat du Comité Olympique Suisse pendant vingt-six ans. Autre passion, la Grèce, qui l’a amené à créer l’association des Amitiés gréco-suisses. Le médecin hygiéniste a aussi fondé la Confrérie des Pirates d’Ouchy. Cette biographie vivante – accompagnée d’une série de photos d’époque – permet de (re)découvrir la vie bien remplie et passionnante de cet homme charismatique.
Julia Rippstein, rédactrice print online
Julia.rippstein[at]emh.ch

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