Planwirtschaft

Briefe / Mitteilungen
Édition
2019/43
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2019.18284
Bull Med Suisses. 2019;100(43):1417

Publié le 23.10.2019

Planwirtschaft

2002 kam ich als deutscher Allgemeinmedi­ziner in die Nordostschweiz, zunehmende ­Bürokratisierung, staatliche Kontrollwut, Globalbudgets, Einschränkung der Behandlungsfreiheit hatten mir das Arztleben in der BRD unerträglich werden lassen.
Das deutsche Gesundheitswesen, vor allem die Grundversorgung, befindet sich seit 1993 (Seehofer, Schmidt etc.) anhaltend im Niedergang und ist im Qualitätsranking irgendwo zwischen Platz 18 und 25 zu finden. In der damals noch freiheitlichen Schweiz wird sich eine ähnliche Entwicklung nicht verhindern lassen, wenn die Politik beharrlich darauf aus ist, die Fehler des nördlichen Nachbarn zu ­kopieren.
Der Streit tobt seit Jahren um die Tarifierung ärztlicher Leistung und entsprechende Eingriffe des Staates in die Gestaltung derselben, eigentlich bisher Aufgabe der Tarifparteien. Wenn die Hausärzte endlich einsehen, dass sie weniger verdienen dürfen und den Patienten weniger Behandlung zukommen lassen, wird alles gut. Wenn nicht, kommt das Budget.
Die im Artikel angeführten Begriffe – Globalbudget, Instrumente der Mengensteuerung, degressive Vergütungen etc. – verschleiern mehr, als sie offenbaren. Es geht um die «Festlegung von Globalzielen», sehr ähnlich wie die fast in Vergessenheit geratenen Fünfjahrespläne längst untergegangener ineffizienter und korrupter Staatssysteme.
Das ist die bittere Wahrheit: Es handelt sich um zunehmende Eingriffe des Staates in die Freiheit seiner Bürger, um zentralistische Lenkung über Zielvorgaben, um letztlich ­sozialistische Verhaltensweisen. Und dadurch, dass die Zusammenhänge unseres Gesundheitssystems sehr komplex und für den Normalbürger nicht verständlich sind, bemerkt eben dieser Normalbürger nicht, was sich da abspielt. Ausführendes Organ der Einschnitte und Gipfel der Infamie sollen – typisch für ein feiges, kontrollversessenes Politiksystem – die Ärzte sein, die sich den Unwillen der Pa­tienten zuziehen dürfen. Staat ist unschuldig und hat es gut gemeint, denn es muss ja gespart werden.
Wohin das führt? Der Arztberuf wird weiterhin, zumindest die Allgemeinmedizin, an ­Attraktivität einbüssen. Eigene Erfahrung: Ich habe mit dem Erreichen meines Pensions­alters fast vier Jahre einen Nachfolger gesucht. Ich war bereit, meine Praxis «abzuwickeln», und das kommt immer öfter vor, bis ich dann zum Glück doch noch einen Arzt fand, der ­bereit war, sein Glück zu versuchen. Er hat noch ca. 12 Jahre bis zum Pensionsalter. Ich wünsche ihm, dass er durchhält. Die jüngeren werden sich anderen Berufen zuwenden.