Trotz ihrer griechischen Wurzeln ist die Stoa vor allem durch ihre römischen Protagonisten wie Seneca, Epiktet und Mark Aurel populär geworden. Ihr Hauptanliegen besteht darin, den Menschen zu einem guten Leben anzuhalten, und so zeugt denn auch heute noch mancher Kalenderspruch von der zeitlosen Weisheit der obgenannten Denker. Kernpunkt der sprichwörtlichen stoischen Lebensweise ist es, nicht an den – eh unveränderbaren – Tatsachen zu verzweifeln, sondern sich umso mehr um seine inneren Werte zu kümmern. Äussere Begebenheiten sollen uns so nicht wirklich etwas anhaben können, denn persönliches Unglück beruhe vorab auf falschen Einstellungen und Fehlurteilen. Diesen lebenspraktischen Aufruf zu weitgehendem Fatalismus bei gleichzeitiger Wahrung persönlicher Tugenden, wie Pflichterfüllung an der Gemeinschaft, Gerechtigkeit und Weisheitssuche, haben die berühmten stoischen Denker nicht einfach aus der Luft gegriffen. Es handelt sich dabei um eine logische Konsequenz aus den – allgemein weniger bekannten – theoretischen Elementen ihrer Philosophie. Diese ist streng deterministisch und – das ist für unser Thema besonders wichtig – eindeutig materialistisch geprägt. Das heisst nun einerseits, dass alles zwingend so geschehen soll, wie es eben gerade geschieht, und andererseits, dass dieser vorbestimmte Lauf der Dinge den inneren Gesetzmässigkeiten der zugrunde liegenden Materie folgen müsse. Dies gelte nicht nur für Gegenstände und Lebewesen, sondern auch für die seelischen Regungen, für unsere Triebe und unsere Affekte. Im Gegensatz zu dem, was wir üblicherweise unter Materie verstehen, ist diese für die Stoiker eben nicht einfach etwas Formloses und Unbelebtes, sondern Träger einer eigenen, dynamischen Vernunftkraft, des sogenannten Logos spermatikos. In diesem Zusammenhang ist es von besonderer Bedeutung, dass dieser Lehre gemäss sowohl die geringsten Partikel wie auch die höchstentwickelten Strukturen in ein und denselben stoffinternen Logos eingebunden bleiben. Diese Einsicht hat grosse praktische Konsequenzen. Sie verleiht auch einfachen Dingen einen Wert und eine Würde, die es zu schützen gilt. Gleichzeitig macht sie die stoischen Philosophen zu Vorreitern einer humanen Gesellschaftsstruktur, im Sinne der Gleichstellung aller Bürger unabhängig von Rasse, Geschlecht und sozialem Status.