Die Spitalrechnung gibt immer noch zu denken!

Briefe / Mitteilungen
Édition
2019/20
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2019.17864
Bull Med Suisses. 2019;100(20):691

Publié le 15.05.2019

Die Spitalrechnung gibt immer noch zu denken!

Ich verdanke verschiedene Zuschriften, die ich zu meinem obgenannten Beitrag erhalten habe, bestens und komme gerne auf den ­einen oder anderen Punkt zurück.
Ein erster betrifft die exklusive Betrachtung der Kosten für den therapeutischen Eingriff. Ein Kollege würde auch gerne für seine Arbeit so grosszügig entlöhnt werden, meint er. Die Frage ist erlaubt, die Antwort darauf für mich doch eher naheliegend. Seit langem schon wird, grosso modo, die handwerkliche medizinische Arbeit höher entlöhnt als die rein «kopflastige». Zwar sollten beide Tätigkeiten im Endeffekt zu gleichen (guten) Resultaten führen und tun dies auch. Auch haben wir Ärzte und Ärztinnen uns daran gewöhnt, dass solche Einkommensunterschiede eben möglich bis selbstverständlich sind. Eine Erklärung dazu habe ich bereits vor Jahren einmal gegeben. Dies mit der These, dass sich auch im halbwegs regulierten Markt des Gesundheitswesens der Grundcharakter eines Arztes oder einer Ärztin auf die Preisgestaltung auswirkt. Die Chirurgin ist im Allgemeinen forscher, auch selbstbewusster und fordernder als zum Beispiel der Psychiater, der doch eher zurückhaltend, zögernd und vorsichtig ist. Beide leisten dabei in ihrem Bereich gute Arbeit, ihre Rechnungen unterscheiden sich somit auch auf Grund ihrer verschiedenen Charaktere.
Der Hinweis auf den halbwegs regulierten ­Gesundheitsmarkt führt zu weiteren Gesichtspunkten, die in Zuschriften behandelt wurden. Mehrfach wurde ausgeführt, dass im Zusatzversicherungsbereich durch das Ver­sicherungsvertragsgesetz (VVG, aktuell auf der Webseite des Bundes als von 1908, Stand am 1. Januar 2011, aufgeführt) die Höhe des Zusatzhonorars immer noch einvernehmlich geregelt sei. Dies mag auch aus der Police meiner Krankenversicherung hervorgehen. Die Ausführungen reden von «Zusätzen», die im Detail nicht beschrieben werden. Damit wird es, insbesondere für den mit dem medizinischen Aufwand nicht vertrauten Patienten, schwierig, die Zusatzhonorierung in einer ­Spitalrechnung kritisch anzuschauen. Weitere Hinweise, die ich in Diskussionsbeiträgen zu sehen bekam, führen bis zur FINMA, die die Absprachen über die Höhe von Mehrwert-Zuschlägen verbietet. Damit wird die Unübersichtlichkeit in der Frage, was und wie hoch Zusätze einzuschätzen sind, zusätzlich deutlich erhöht. Dem Rechungssteller wird quasi überlassen, die Höhe der Kosten aller Dienstleistungen zu bestimmen.
So wundert es mich nicht, dass die Zusatz­kosten in der diskutierten Rechnung von 83% (KVG, SwissDRG: CHF 9527.15, VVG-Zusatz: CHF 8084.90) als niedrig bezeichnet werden. Es würden Zusätze von 75–175%, je nach Ver­sicherungsumfang, vom Bundesgericht toleriert. Ein rein marktwirtschaftlicher Ansatz mag mich, zwar nur wenig, an der Richtigkeit solcher Entscheide nicht zweifeln lassen. Doch, wenn Zusätze als solche in Rechnung gestellt werden, sollten sie auch als solche detailliert zur Darstellung kommen. Wenn jede medi­zinische Tätigkeit beliebig hoch verrechnet werden kann, weiss vor allem auch der in ­Tariffragen nicht versierte Patient, was er für Zusätze zahlt. Ein Anrecht, das zu wissen, dünkt mich, hat er jedenfalls. Wenn im Ver­sicherungsmarkt Zusätze angeboten werden, sollten diese in der Rechnungsstellung erkennbar ausgewiesen werden.
Gerne wiederhole ich abschliessend, was mir an dieser Spitalrechnung am meisten zu ­denken gibt: Sie lässt zu, dass die rein ärzt­liche Arbeit verschiedene Qualitätsstufen ­haben könnte. Und das dürfen wir, meiner Meinung nach, nicht zulassen!