Irreführung durch persönlichen Glauben

Briefe / Mitteilungen
Édition
2019/1718
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2019.17804
Bull Med Suisses. 2019;100(1718):608-609

Publié le 23.04.2019

Irreführung durch persönlichen Glauben

Vor sieben Jahren hat mir mein Schutzengel ein neues Herz und damit ein neues Leben geschenkt. Es ist mir bewusst, dass ich heute nicht mehr hier wäre, würde es die Transplantationsmedizin nicht geben. Über diverse Plattformen hat sich nun der neu gegründete Verein «Äpol» mit der radikalen Forderung «Totalverbot von Organspenden bei Hirntoten» gemeldet. Für mich als Medizinische Praxisassistentin sowie Medizinische Codiererin ist es erschreckend, wie unaufgeklärt diese Mediziner versuchen, das Volk mit Fehlinformationen zu überfluten, die ausschliesslich auf deren Glauben und der persönlichen Einstellung beruhen.
In der NZZ vom 28. März sagt Äpol: «Menschen dürfen Menschen nicht töten, auch nicht, um anderen Menschen zu helfen. Das ist ein massiver kultureller Bruch.» Es geht hier um hirntote Personen mit einem irreversiblen Hirnschaden, die ausschliesslich über Apparaturen wie die Beatmung noch am Leben gehalten werden. Behaupten Sie wirklich, die Patienten werden für die Empfänger von den Ärzten getötet? Auch erwähnen Sie einen kulturellen Bruch: Das ist Ihre persönliche Haltung, nicht allgemeingültig.
In der SRF-Arena vom 22. März meldete sich der Äpol-Vizepräsident Dr. med. Alex Frei offiziell als «Vertreter der Spender» zu Wort. Sie vertreten so ihre Meinung, was ihr Recht ist. Allerdings argumentieren sie nur auf der emotionalen Schiene, statt Fakten zu bringen. Es ist schwierig, die Meinung von Verstorbenen wiederzugeben.
Die Äpol stellt eine Änderung auf die Widerspruchslösung in der Schweiz als Ausräumen der Hirntoten gegen deren Willen dar. Das ist reine Angstmacherei. In der Schweiz, wie auch im restlichen Europa, ist immer noch das Angehörigengespräch ausschlaggebend. Dies bliebe auch nach einer Änderung des Systems so. Umfragen durch Swisstransplant zeigen, dass über 80% der Schweizer Bevölkerung einer Organspende positiv gegenübersteht. Heute liegt die Ablehnungsrate nach dem Hirntot aber bei 60%, da die Hinterbliebenen bei der Entscheidung, ohne den Spenderwillen zu kennen, tendenziell eher Nein sagen, aus Angst, eine Fehlentscheidung zu treffen. Wer aber sagt, dass ein Nein bei einem Hirntoten, der hätte spenden wollen, die Familie es aber nicht wusste, weniger schlimm ist als ein Ja bei einem Hirntoten, der nicht spenden wollte? Heute hat jeder die Chance, sich unter www.organspenderegister.ch zu regis­trieren. Dies ist wichtig, um den Angehörigen die Entscheidung abzunehmen. Alle können sich selbst eintragen und sich dafür oder ­dagegen entscheiden. Hauptsache, man entscheidet sich.
Es liegt mir sehr am Herzen zu zeigen, dass die Äpol mit ihrer radikalen Meinung und den Fehlinformationen viel Schaden anrichtet. Man kann mit einer Organspende Personen, welche selbst kurz vor dem Tod stehen, ein neues und gutes Leben schenken. Dass man danach krank weiterlebt, ist ein Vorurteil. Ich bin heute 33-jährig und arbeite wieder zu 100% in meinem erlernten Beruf. Am Morgen und am Abend nehme ich je zwei Tabletten, woran ich mich gewöhnt habe, da ich bereits als Herzkranke vor der Transplantation auf Medikamente angewiesen war. Halbjährlich muss ich zu einer Herzuntersuchung und ich bin etwas anfälliger auf Infekte. Ansonsten lebe ich ein gesundes, normales Leben. Ich geniesse die Zeit mit meinem Mann André, der ohne die Transplantation seit sieben Jahren Witwer wäre, und unserem Hund Simba. Auch gehe ich regelmässig ins Fitnesscenter und nehme an Meisterschaften für Transplantierte teil, an welchen ich im 100-Meter-Sprint an den Europameisterschaften die Goldmedaille für die Schweiz nach Hause brachte. Ebenfalls bin ich mit Reisen nicht eingeschränkt, werden wir doch dieses Jahr nach Mexiko fliegen.