Demontage des Artzseins

Briefe / Mitteilungen
Édition
2019/16
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2019.17776
Bull Med Suisses. 2019;100(16):582

Publié le 16.04.2019

Demontage des Arztseins

W. Grete hat in zwei Beiträgen in der SÄZ [1, 2] die aktuelle Situation der Ärztinnen und Ärzte im Ruhestand im Kanton Zürich mit Seniorenbewilligung ausführlich und objektiv ­beschrieben. Dennoch drängt es mich, v.a. zuhanden der nicht zürcherischen Ärzteschaft, welche wahrscheinlich in ihren Kantonen diese Problematik «noch» nicht kennt, als ­Ergänzung zu seinen Ausführungen meine persönliche Erfahrung diesbezüglich mitzuteilen.
Im September 2018 erhielt ich einen eingeschriebenen Brief der Gesundheitsdirektion (GD) des Kantons Zürich mit der Information, dass meine Seniorenbewilligung auf Ende Jahr 2018 auslaufen wird.
Seit Januar 2018 ist diese eingeschränkte ärztliche Tätigkeit im Kanton Zürich gemäss GD nun nicht mehr möglich, da sie dem MedBG Art. 36 ff. nicht entspricht, einem Gesetz, welches jedoch schon im Juni 2006 auf eidgenössischer Ebene Gültigkeit erlangte. Falls ich ­jedoch an einer Umwandlung in wieder eine reguläre Berufsausübungsbewilligung BAB interessiert sei, sei mir dies unter Fristansetzung und Gebührenfolge mittels Einreichen eines entsprechenden Gesuchs (Mutationsmeldung) und unter Nachweis der notwendigen Unterlagen und Voraussetzungen gemäss MedBG möglich.
Nach Erreichen des 65. Lebensjahres hatte ich meine vieljährige und erfolgreiche freiberufliche Facharzttätigkeit als Anästhesiearzt in einer Fachärztegruppe an einem Zürcher Privatspital 2007 beendet. Mit einer Senioren­bewilligung, da ja weiterhin eidg. dipl. Arzt, war ich seither für Familie und den engen Freundeskreis v.a. beratend aufgetreten – meistens Drittmeinung – und habe selbst­verständlich rezeptpflichtige Medikamente für den Eigenbedarf problemlos unter Arztausweis mittels HCP-Karte der FMH ohne ­Eigen- oder Fremdrezept in Apotheken in der Schweiz und im Ausland bezogen.
Bevor ich entschied, gegebenenfalls ein Gesuch um Umwandlung in wieder eine reguläre BAB zu stellen, erkundigte ich mich vorsichtshalber bei der GD, inwieweit ich für den Eigen­bedarf ohne Seniorenbewilligung und Fremdrezept mit der HCP-Karte allein auch ­rezeptpflichtige Medikamente in Apotheken der Schweiz beziehen könne, wobei die Kosten weiterhin von der obligatorischen Grundversicherung mir rückvergütet würden. Als Antwort erhielt ich die Auskunft, dass ich ­selber mich bei meiner «Hausapotheke» am Wohnort und bei meiner Krankenversicherung entsprechend absichern müsse. Der Apotheker war zunächst sprachlos, da es in Apothekerkreisen diesbezüglich keine Weisungen gab; meine Krankenversicherung ­erklärte eine Rückvergütung weiterhin für selbstverständlich. Ich verzichtete auf eine Gesuchstellung.
Auf Beginn 2019 erhielt ich dann von der GD Zürich wiederum einen eingeschriebenen Brief mit der Bekanntgabe, dass infolge Ausbleibens eines Gesuchs meinerseits meine ­Seniorenbewilligung nun abgelaufen ist. Unter Verdankung meiner langjährigen ärztlichen Tätigkeit zum Wohle der Zürcher Bevölkerung (!) wurde im Schreiben noch darauf hingewiesen, dass entsprechende Meldung an diverse amtliche Stellen (u.a. SASIS AG Ressort ZSR, Kantonale Heilmittelkontrolle, GD intern) und an den kantonalen Berufsverband AGZ erfolgen wird.
Für den Moment fühle ich mich als weiterhin dipl. Arzt degradiert. Ich habe volles Verständnis für die Bewilligungsvoraussetzungen ­gemäss MedBG für die fachlich eigenverantwortliche ärztliche Berufsausübung mit Rechnungsstellung. Was ich aber nicht verstehe, ist, dass die Zürcher Behörden erst nach über zehn Jahren es für notwendig erachten, den Status der Seniorenbewilligung auf ihre Legalität hin zu überprüfen und zu agieren, nachdem das MedBG für die ganze Schweiz ja schon 2006 Rechtskraft erfuhr. Behörden und Politik hätten schon viel früher zusammen mit der kantonalen Ärztegesellschaft eine für den Kanton einvernehmliche gesetzeskonforme Lösung suchen und dann im kantonalen Gesundheitsgesetz einführen können/müssen. Erkundigungen meinerseits ergaben bis heute, dass in unserem grossmehrheitlich föderalistisch organisierten schweizerischen Gesundheitssystem in anderen Kantonen die Frage der weiteren beruflichen Tätigkeit von Ärztinnen und Ärzten im sog. Ruhestand noch keine Wellen wirft. Es scheint, dass Zürich einmal mehr diesbezüglich eine Leaderrolle zu übernehmen gewillt ist.
Für meine Person erübrigt sich altershalber eine weitere Aktivität in dieser Causa. Ich vertrete jedoch mit Nachdruck die Ansicht, dass die Möglichkeit eines Bezugs von rezeptpflichtigen Medikamenten für den Eigengebrauch für Ärztinnen und Ärzte im Ruhestand ohne Fremdrezept, aber mit Arztausweis weiterhin bestehen bleiben soll und dass eine Rückvergütung von dabei anfallenden Medikamentenkosten verbindlich bleibt. Sinnvoll scheint mir ein gesamtschweizerisches Vorgehen. Was spricht denn gegen eine diesbezügliche Ergänzung des MedBG bzw. der diversen kantonalen Gesundheitsgesetze?