Achtung, Männer!

Briefe / Mitteilungen
Édition
2019/11
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2019.17675
Bull Med Suisses. 2019;100(11):385-386

Publié le 13.03.2019

Achtung, Männer!

Liebe Frau Kollegin Nora Bienz, herzlichen Dank für den erfrischenden Artikel, der sehr viel Wahres und bestens Bekanntes enthält.
Ich (verheiratet und Mutter von drei Kindern) teile viele der Erfahrungen und bin gleicher Meinung.
Immer wollte ich Chirurgin werden. Das bin ich dann zwar auch geworden, habe mich aber aus guten familiären Gründen umorientiert und bin heute hauptsächlich als Medizinerin tätig. Ich bereue nichts, bin auch nicht frustriert, ja sogar ein bisschen stolz auf den Weg mit zahlreichen Umwegen, den mir das Leben gezeigt hat. Heute bin ich ganzheitlich aus­gebildet, das selbständige Arbeiten macht mir Freude, und dies kommt alles meinen Patienten zugute.
In den Augen der männlichen Kollegen bin ich aber möglicherweise eine dieser Teilzeitfrauen, die abends um 19 Uhr bei der Sitzung schon in Zivil und mit gepackter Tasche dasitzen, um ach so früh nachhause zu gehen. Auf dem Weg heim zu meiner Familie denke ich mir meinerseits, so viel Zeit wie die grau melierten Herren hätte ich auch mal gerne.
In der Tat habe ich meinen Arbeitsalltag verdichtet. Bevor ich Kinder hatte, habe ich sehr viel mehr Überzeit gemacht, um dies und das noch vom Tisch zu haben und zu perfektionieren (operieren habe auch ich nicht während meiner Überstunden gelernt). Heute ist meine Arbeit getan, wenn ich pünktlich nachhause gehe.
Ein mir persönlich gut bekannter männlicher CEO eines grossen Schweizer Unternehmens hat mir berichtet, wie auch er seine Abläufe bei der Arbeit komprimiert und optimiert hat, um die Abende mit seiner Familie verbringen zu können. Wie schön und erwähnenswert im Falle des Familienvaters, wie alltäglich für eine Mutter.
Die klinische Arbeit ist meine Leidenschaft. Viel habe ich mit Patienten und deren Familien geredet, über medizinische Knacknüsse nachgedacht, aber auch darauf geachtet, dass das Administrative rasch und vollständig erledigt war.
Die männlichen Kollegen bemühen sich ­hingegen gerne um Gespräche mit dem Chef und Extrazeit mit dem Führungskader, um sich geschickt positionieren zu können. Forschung ist wichtiger als die schwierige Blutentnahme oder das klärende und heilsame medizinische Gespräch mit den Angehörigen, denn der Chef anerkennt und nutzt sie.
Ich bin gegen Frauenquoten. Die Zeit wird kommen, ja, sie ist sogar schon da, dank und mit uns.
Viele meiner Kolleginnen machen sich dieser Tage selbständig. Ich bin stolz und begeistert: Sie sind alle top ausgebildet, waren im Ausland, haben geforscht, Stipendien erhalten und nebenbei Kinder bekommen. Nun machen sie ihre professionelle Arbeit in wunderschönen Räumlichkeiten und behandeln ihre Patienten mit viel Empathie. Die Zeiten ­scheinen vorbei, in denen ein älterer Halbgott in Weiss den Raum betrat, mit niemandem sprach und rasch und böse wieder verschwand. Die Patienten suchen sich ihre Ärzte heutzutage selber aus, und wer krank ist, braucht liebevolle Hilfe.
Passt auf, Männer, könnte knapp werden für Euch!