Medizinpreise

Horizonte
Édition
2019/04
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2019.17424
Bull Med Suisses. 2019;100(04):101

Affiliations
Dr. med., Mitglied der Redaktion

Publié le 23.01.2019

Das Team aus den USA evaluierte geeignete Mittel zum beschleunigten Abgang von Nierenbeckensteinen an einem dazu entwickelten Modell. Als besonders erfolgreich erwiesen sich mehrere Achterbahnfahrten im Walt-Disney-Park in Orlando, Florida. Der Jury war das 2016 eine Ehrung im Beisein mehrerer Nobelpreis­träger wert.
Die meisten Preise bedeuten Anerkennung und Prestige. Es gibt hunderte davon, und fast jährlich werden es mehr. Verliehen werden sie von Stiftungen, Vereinen, Fachgesellschaften und Universitäten. Zu gewinnen sind Geld, Plaketten und Medaillen, Aufnahme in eine Hall of Fame, Karrieremöglichkeiten und vieles mehr. Ausserhalb der höchsten Ehren eines Nobelpreises hat der Alternative Nobelpreis, seit seiner Gründung vor dreissig Jahren, zunehmende Bedeutung erlangt. Die meisten Laureaten des Right Livelihood Award, wie der Preis offiziell heisst, ist für Menschen gedacht, die Demokratie, Menschenrechte und einen besseren Umgang mit natürlichen Ressourcen fördern. 2008 erhielt ihn die Ärztin Monika Hauser für die Gründung der Organisation Medica mondiale, die ­sexualisierte Gewalt an Frauen bekämpft. 2017 wurde die Gynäkologin mit der Paracelsus-Medaille der ­deutschen Ärzteschaft geehrt.
Der Vollständigkeit halber seien die oft umstrittenen Friedens- und Literaturpreise erwähnt. Sie erinnern daran, dass es bei den urteilenden Gremien immer um Menschen geht. Fehl- und Vorurteile sind nicht immer ausgeschlossen. Als Folge der MeToo-Bewegung gab es 2018 keinen Literaturpreis, denn die Hälfte der Jurysitze ist seither unbesetzt.
Herausragende Leistungen lassen sich nur an ihrem Gegenteil bewerten. Auch dafür gibt es Preise, wie die Goldene Himbeere als Gegenstück zum Oscar oder das Goldene Brett für pseudowissenschaftliche Nonsense-Beiträge im deutschen Sprachraum. Eine Mittelstellung kommt dem Ig(ignoble)-Nobelpreis zu, einer satirischen Auszeichnung für wissenschaftliche Leistungen. Der Preis wird seit 1991 jährlich im September vergeben. Federführend für die Wahl und die Zeremonie am renommierten Massachusetts Institute of Technology MIT ist die Zeitschrift Annals of Improbable Research. Unter den zehn, von einer hochkarätigen Jury Erwählten sind stets Biologen und Mediziner vertreten. Das erwähnte Beispiel der Achterbahn gehört zu einer langen Reihe, die den Kriterien achievements that cannot or should not be reproduced oder make people laugh, then think entspricht. Was wie eine Satire daherkommt, hat durchaus auch eine ernsthafte Seite, wenn man beispielsweise an die unzähligen, völlig überflüssigen biologisch-medizinischen Studien denkt. Man kann die lange Werkliste der Preisträger zur eigenen Erheiterung, mit Schadenfreude oder mit einer Prise Nachdenklichkeit lesen. Der Graben zwischen Klamauk und bahnbrechender Entdeckung ist nicht immer so tief, wie man meint. Das Einsortieren macht jedenfalls Spass. Etwa die Studie über die Wirkung klassischer Musik auf herztransplantierte Mäuse, den Nachweis, dass bei starkem Harndrang schlechtere Entscheidungen getroffen werden, oder die Fallbesprechung über ­einen unbehandelbaren Schluckauf, der durch eine rectale Fingermassage beendet wurde. Anderen Fachgebieten geht es natürlich nicht besser. Etwa, wenn aus der Wirtschaft eine Vatikanstudie für das Outsourcing von Gebeten nach Indien oder aus der Physik eine ­Arbeit Beachtung findet, die rechnerisch nachweist, warum schwangere Frauen nicht nach vorne über­kippen. 2018 wurde eine medizinische Arbeitsgruppe aus Frankreich und Grossbritannien für die Anwendung der funktionellen Magnetresonanztomographie zur Bestimmung der Abneigung von Menschen gegen Käse ausgezeichnet. So ein Blödsinn, denkt da der ­seriöse Mediziner. Und dann, gemäss dem Motto zuerst lachen, dann nachdenken, dass die Indikation zu einer MRI-Untersuchung auch hierzulande manchmal ein Käse ist.
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