Wandlung von Sprache und Tun im Lauf eines ärztlichen Lebens, Inserate sie spiegeln und auch der Kollegen Artikel

Tribüne
Édition
2018/50
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2018.17351
Bull Med Suisses. 2018;99(50):

Publié le 12.12.2018

Gerne würde Walter Welle
wechseln seine Arbeitsstelle.
Mit schon hoher Facharztreife
steht er in der Warteschleife
voller Leistungsdrang bereit
für die Kadertätigkeit.
Auch sein Chef ihm attestiert,
fachlich sei er sehr versiert,
Er verkehre schrift- und mündlich
mit dem Hausarzt freund- und gründlich,
sorgsam halt er Mass bei Kosten,
wäge ab bei jedem Posten,
wende nicht nur hie und da
an auch die Generika,
sondern wandle jederzeit
auf dem Pfad der Sparsamkeit.
Deshalb sei man wohl beraten
mit so einem Kandidaten.
Der, noch spät des Abends hat
aufgemacht das Ärzteblatt
bei den Inserateseiten
mit den Stellenneuigkeiten.
Aber diese wurden Welle
zu des ernsten Zweifels Quelle
an sich selber und, oh weh,
auch am eignen Métier.
Denn er las:
«In den Dienst an unsern Kunden
fühlen Sie sich eingebunden,
weil wir die Klienten schätzen
und wozu wir Standards setzen.
Human Faktor-Kompetenz
steigert Ihre Effizienz,
deshalb sehn Sie überall
noch verborgenes Potenzial
mit der Absicht, zu ergänzen
unsres Zentrums Marktvalenzen
also denken fürs Spital
stets Sie mehrdimensional,
dementsprechend breit vernetzt
wird das Neue umgesetzt,
mit dem Schub der Energie
aus der Freizeitsynergie
(Unser Haus ist sehr begehrt
auch dank seinem Freizeitwert!);
orientiert am Budgetziel,
runden ab Sie Ihr Profil.»
«Dank dem fachlichen Geschick
wahren Sie den Überblick,
wirken mit viel Fantasie
nicht nur in der Strategie,
sondern auch und permanent
fest am Zukunftsmanagement.
Und Sie sind ein transparenter
Player in dem Profit-Center;
ähnlich seh’n Konzepte aus
für den Trakt Gesundheitshaus».
Auch: «Sie haben Visionen
für die Innovationen,
die die Effizienz ergeben,
um dynamisch aufzustreben,
denn die Kunden, die wir wollen,
schöpfen schliesslich aus dem Vollen!»
Endlich: «Dank Belastbarkeit
Ihrer Arztpersönlichkeit
können jung Sie, doch erfahren 
Qualität mit Sparen paaren,
denn hier winken sehr probate
lohnende Zertifikate
nach den Regeln des Vereins
ISO-Norm 9001.»
«Interessiert? – wenn ja, sodann
sind genau Sie unser Mann!
Näher gibt zu diesem Zweck
Auskunft Dr. iur. et oec. ...
bürozeitlich hilft auch weiter
unser * HR-Mitarbeiter.»
Mundtot fand Kollege Welle
sich an der Verzweiflung Schwelle,
konnte nach so starken Worten
nur noch Schwächen bei sich orten,
fort war seines Lebenstraumes
heiles Bild des Wirkungsraumes,
wo er Linderung könnt’ bringen
und wo Heilung möcht’ gelingen
einem Arzt mit Nächstenliebe
auch in dem Spitalbetriebe –
Just im selben Augenblick
wacht’ er auf zu seinem Glück,
schweissgebadet, doch er nahm
dankbar wahr, dass er entkam
einer Unbill, die zuletzt
ihn in Angst und Not versetzt’,
sprach, nach dem Erlebten sinnend
und nach seiner Fassung ringend:
«Nie hab solches ich gelesen,
ist ein Albtraum nur gewesen.»
Sprach’s erinnert an Bewährtes
seit Jahrhunderten Gelehrtes
wie im mahnenden Gedanken
Bleulers: «Bleiben wir am Kranken!» [1]
Max Stäubli
Prof. em. Dr. med. Max Stäubli
Lebernhöhe 4
CH-8123 Ebmatingen
maxstaeubli[at]bluewin.ch